Alexander Maier im Einsatz | Foto: Bundespolizei
Turn-Team Deutschland

Nick Klessing & Alexander Maier

Zwei Wege, zwei Geschichten, ein Arbeitgeber

In einer Welt voller sportlicher Ambitionen und unvorhersehbarer Herausforderungen treffen zwei Athleten auf ihrem Weg zum Erfolg aufeinander. Einer von ihnen strebt weiterhin unbeirrt den Gipfel des sportlichen Ruhms an - sein Ziel sind die Olympischen Spiele, das ultimative Podium für fast jeden Sportler und fast jede Sportlerin. Unterstützt wird er von den perfekten Trainingsbedingungen, die ihm sein Arbeitgeber, die Bundespolizei, ermöglicht. Doch auf diesem Weg kreuzt sich sein Schicksal mit dem eines anderen Sportlers, dessen Träume durch eine schicksalhafte Schulterverletzung jäh gestoppt wurden. Doch auch er erhält Unterstützung von der Bundespolizei, die ihm nach dem erzwungenen Ende seiner sportlichen Karriere seine Berufsausbildung weiter ermöglicht. Während der eine weiterhin auf dem Gipfel des Sports kämpft, beginnt der andere ein neues Kapitel in seinem Leben, als Teil der Dienstgruppe A am Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Rede ist von Nick Klessing und Alexander Maier. Zwei Wege, zwei Geschichten, ein Arbeitgeber.

Während der eine weiterhin auf dem Gipfel des Sports kämpft, beginnt der andere ein neues Kapitel in seinem Leben, als Teil der Dienstgruppe A am Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Rede ist von Nick Klessing und Alexander Maier.

Zwei Wege, zwei Geschichten, ein Arbeitgeber.

Nick Klessing

Auf dem Weg nach Paris

Die ersten Fähigkeiten für seine spätere Ausbildung bei der Bundespolizei hat Turner Nick Klessing schon in seiner Kindheit gesammelt. Denn neben der akribischen Arbeit an den Turngeräten brachte er schon damals den ein oder anderen Gegner zur Strecke. Als Judoka, wie sein Vater. Bei seinen Praktika musste er diese Skills bislang aber noch nicht anwenden. "Denn der Leipziger Flughafen ist jetzt doch nicht der stressigste Arbeitsplatz im Leben", sagt er mit einem Augenzwinkern.  

Mein Training – mein Dienst

Vor rund drei Jahren hat der Olympiakandidat seine Ausbildung erfolgreich beendet. Seitdem kann er sich mit Unterstützung seines Arbeitgebers Bundespolizei beinahe gänzlich dem Turnen widmen. "Wenn man fertig ist, wird das Ganze auf jeden Fall um einiges entspannter. Ich bin praktisch komplett freigestellt und kann trainieren. Das Training ist nun mein Dienst", erklärt er. Nur einen Monat im Jahr muss sich Klessing als Praktikant unter die Kollegen mischen. Damit er nicht völlig vergisst, was er in der Ausbildung gelernt hat.

"Da muss man sich dann in eine funktionierende Gruppe einordnen", sagt er. Am Anfang bedeute das jedes Mal, ein Gefühl für die Abläufe und die Kollegen und Kolleginnen zu bekommen. "Ich war jetzt zweimal am Flughafen in Leipzig. Da gab es nie irgendwelche Probleme. Alles hat wirklich gut funktioniert, die sind da echt entspannt. Allesamt superliebe Menschen. Ich hatte bisher immer Glück mit meiner Dienstgruppe", betont er.

Flughafen Leipzig/Halle im Winter

Der Flughafen Leipzig/Halle ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in Mitteldeutschland, besticht durch seine moderne Infrastruktur und Effizienz. Als Frachtdrehkreuz für global agierende Logistikunternehmen wie DHL ist er mittlerweile einer der größten Frachtflughäfen Europas. "Meistens bin ich im Winter dort. Da habe ich die meiste Zeit. Da herrscht zudem der Winterflugplan und es ist sowieso nicht viel los", erklärt er. Die Aufgaben die Klessing dort zu bewältigen hat, sind vielfältiger Natur. "Wir helfen Leuten, stehen an der Sicherheitskontrolle und schauen, dass da nichts passiert", zählt er auf. Aber auch für ausreichend Bewegung ist auf dem riesigen Areal in jedem Fall gesorgt. "Wir laufen viel Streife. Und wir fahren über den gesamten Flughafen und kontrollieren, dass da niemand unerlaubt eindringt", berichtet er.

Nur gut sein, reicht nicht

Seine Turnkarriere will Klessing auch nach den Olympischen Spielen 2024 noch fortsetzen, wenn der Körper es zulässt. Wenn seine Leistungen noch stimmen, erwartet der 26-Jährige da auch keine Einwände der Bundespolizei. Allerdings weiß er auch: "Einfach nur gut sein allein reicht bei der Bundespolizei nicht. Ich glaube, da gibt es zu viele gute Sportler. Da muss man schon wenigstens ein paar Medaillen mitbringen", räumt er ein.

Sicherheit, die beruhigt

Was den vierfachen deutschen Meister dagegen ungemein beruhigt, ist die Sicherheit, die ihm die absolvierte Ausbildung gegeben hat. "Wenn ich von heute auf morgen sagen würde, mir reicht es mit dem Turnen oder ich kann nicht mehr, dann könnte ich theoretisch in der nächsten Woche am Flughafen stehen und dort arbeiten", sieht er seinen Weg ins Berufsleben jederzeit frei und geebnet. Dass die Entscheidung richtig war, die Turnkarriere in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei zu stemmen, davon ist er überzeugt. "Auf jeden Fall. Ich, für mich, ich würde es genauso wieder machen. Ich habe Frau, Kind, Haus. Und ich glaube, es gibt kaum eine bessere Absicherung im Leben, als Beamter zu sein", ist er überzeugt.

Rückblickend räumt er ein, seien aus der Doppelbelastung aus Ausbildung und Turnen natürlich auch Tage hervorgegangen, die extrem fordernd gewesen seien. "Insbesondere die Abschlussprüfungen, beziehungsweise die Zwischenprüfungen. Man hat da natürlich ein bisschen Schiss. Da kann ja schließlich immer was schiefgehen. Und was, wenn ich es nicht schaffe?", erinnert er sich. Denn geschenkt bekommen, habe man dort nichts. "Wir sind 100 Prozent ausgebildete Bundespolizisten. Wie jeder andere auch. Und von daher müssen wir uns halt auch genauso ordentlich vorbereiten und lernen wie alle anderen", betont er.

Das A und O: die Disziplin

Eines, was er als Spitzensportler gelernt habe, habe im durch diese Zeiten geholfen. "Die Disziplin. Ich denke, jeder Sportler hat eine gewisse Grunddisziplin. Da könnte ich jeden fragen. Sonst würde das alles nicht funktionieren", sagt er. Man müsse eben wissen, was man wolle.  "Du machst das ja nicht aus Spaß, du machst das ja für dein Leben", fügt er hinzu. Daher sei eine Grundbedingung, dass man die Dinge ordentlich angehe und sich auch auf das konzentriere, was man tue. "Es ist halt wie in der Normalschule. Und auch da gibt es ja immer Tage, wo es mal nicht so geil läuft", weiß er.

Die Frage, ob sein Weg für andere ebenfalls der Beste sei, könne sich dagegen jeder nur selbst beantworten. "Ich denke, da hat jeder auch seine eigene Antwort, was für ihn selbst optimal ist. Was ich aber sagen kann, ist, dass die Bundespolizei zum Beispiel für Olympia noch ein paar Ausnahmen mehr macht", verrät er. Zum Beispiel müsse das jährliche Praktikum im Vorjahr der Olympischen Spiele nicht stattfinden, damit man die komplette Zeit habe, sich vorzubereiten. "Im nächsten Jahr macht man dann einfach zwei Monate. Das ist ein fairer Deal", findet der Hallenser.

Wer sich allerdings nicht vorstellen könne, nach der Turnkarriere als Polizist an der Grenze, am Flughafen oder am Bahnhof zu arbeiten, für den mache vermutlich auch die Ausbildungsschiene Bundespolizei keinen Sinn. "Wenn man sich aber damit identifizieren kann, diesen Job ein ganzes Berufsleben lang zu machen, dann gibt es wohl kaum etwas Besseres", glaubt Klessing. 

Alexander Maier

Am Stuttgarter Hauptbahnhof

Während Nick Klessing weiter gute Karten im Kampf um die Olympiateilnahme in Paris 2024 hat, hat sich das Leben von Alexander Maier in eine ganz andere Richtung entwickelt. Nach der Corona Pandemie wollte der heute 29-Jährige noch einmal angreifen. "Ich wollte noch einmal die Teilnahme an großen Wettkämpfen in Angriff nehmen. Ich wurde fitter und fitter, doch dann streikte irgendwann meine Schulter", sagte er. Im Dezember 2021 dann, führte für den Schwaben an einer Operation kein Weg mehr vorbei. "Nach der OP war mein Leben im Alltag auch irgendwann wieder okay. Aber turnerisch gesehen, hat die Schulter nicht mehr so gut funktioniert wie zuvor", erinnert er sich. Durch seine lange Verletzungspause war Maier zu allem Übel noch aus dem Kader gefallen, da er keinen der notwendigen Wettkämpfe mehr hatte turnen können.

Die Schulter spielte nicht mehr mit

Doch die Bundespolizei zeigte sich ihrem Azubi gegenüber loyal. "Sie haben gesagt, wir geben dir noch einmal die Chance, dich zu zeigen. Auch wenn du derzeit kein Kaderturner mehr bist", sagt Maier. Also habe er noch einmal versucht, zurückzukommen. "Aber es war eben einfach nicht mehr machbar", musste er sich bald eingestehen. So setzte sich der Turner mit dem Leiter der Bundespolizeisportschule in Kienbaum zusammen. "Wir sind dann gemeinsam zum Entschluss gelangt, dass es turnerisch keinen Sinn mehr macht, wenn Schulter oder Körper nicht mehr mitspielen wollen", erzählt er.

Sanfte Landung im Berufsleben

Die darauffolgenden Änderungen in Maiers täglichem Leben waren groß. Seine Landung im Berufsleben jedoch wurde durch die vorhandene Einbindung in die Bundespolizei bestmöglich abgefedert. "Natürlich war das trotzdem eine Umstellung. Früher war jeden Tag um neun und um zwei Training. Nun kam erst einmal der Schichtdienst. Das war schon hart. Ich habe ja doch eine sehr lange Zeit nur geturnt. Und das ist dann plötzlich komplett weggefallen", sagt er. Im Nachhinein ist Maier aber froh darüber, wie alles ablief. "Denn mit meinen neuen Kollegen komme ich super zurecht. Ich bin richtig gut aufgenommen worden und ich gehe gerade wirklich gerne zur Arbeit", betont er.

Am Stuttgarter Hauptbahnhof

Seinen Job in der Dienstgruppe A am Stuttgarter Hauptbahnhof beschreibt Maier als weitgehend spannend. "Man weiß aber nie genau, was oder wer an einem bestimmten Tag auf einem zukommt. Es kann auch sein, dass es Samstag oder Sonntag ist und man denkt, heute wird richtig viel los sein. Und es passiert fast nichts. Dafür ist dann plötzlich unter der Woche auf einmal viel los", berichtet Maier. Ein Standarddelikt am Hauptbahnhof sei logischerweise das Erschleichen von Leistungen. "Fahren ohne Ticket eben. Häufig kommen aber auch Diebstähle oder Körperverletzungen vor. Und leider immer häufiger Widerstände", zählt er auf.

Beste Entscheidung: Bundespolizei

Und dennoch: bereut hat Maier seinen Ausbildungsweg bislang nicht. "Das war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Negatives gibt es, wenn ich ganz ehrlich bin, eigentlich gar nichts", findet Maier. Und die ganze Lernerei bringe ja jede andere Berufsausbildung auch mit sich. Die Auszubildenden lernen dabei an der Bundespolizeischule rechtliche Grundlagen, polizeiliche Taktiken, Einsatztechniken und den Umgang mit Waffen. Darüber hinaus werden soziale Kompetenzen wie Konfliktlösung, Deeskalation und interkulturelle Sensibilität vermittelt. "Ich kann tatsächlich gar nichts sagen, was bei mir überhaupt nicht gepasst hat", ist er überzeugt.

Wenn man sich allerdings nicht vorstellen könne, nach seiner sportlichen Karriere als Polizist oder Polizistin zu arbeiten, sei dieser Karriereweg höchstwahrscheinlich auch nicht der richtige. "Dann würde auch ich sagen, geh eher in die Bundeswehr und studiere. Wenn man sich so ein Leben aber vorstellen kann, dann gibt es meiner Meinung nach nichts Besseres, als eine Karriere in der Bundespolizei anzustreben. Dann ist es die beste Möglichkeit, die man auch nutzen sollte. Zumindest sollte versuchen, ob man angenommen wird", ist Maier überzeugt.

Keine Geschenke

Geschenkt gebe es bei der Bundespolizei allerdings nichts. "Im Endeffekt schreiben wir nach dem Laufbahnlehrgang genau die gleichen schriftlichen Prüfungen wie normale Anwärter von den anderen Außen- und Fortbildungszentren auch. Und es sollte klar sein, dass das ohne Lernen und ohne Hinsetzen nicht möglich ist", sagt Maier. Seine Zeit bei der Bundeswehr sei dahingehend noch deutlich entspannter gewesen. Doch auch bei der Bundespolizei halfen Maiers Erfahrungen als Spitzensportler weiter. "Die gleiche Disziplin, mit der man auch durch sein tägliches Trainingsprogramm geht, kann einem auch bei der Bundespolizei weiterhelfen", findet er. Anfangs sei er tatsächlich noch relativ schlecht gewesen, wenn es darum gegangen sei, Berichte oder Strafanzeigen zu verfassen. "Ich würde es aber beinahe mit neuen Elementen im Turnen vergleichen. Wenn ich es drei, vier, fünf Mal erlebt habe, dann ist es wie, wenn ich ein Element erlerne. Dann weiß ich bald ohne groß zu überlegen, was ich als Nächstes mache", erklärt er.

Auf seine Turnkarriere blickt Maier rückblickend mit einem lachenden und einem weinenden Auge. "Die ersten paar Wochen waren schon so ein bisschen schwer. Denn ich war kurz vor Corona eigentlich so fit wie nie und wollte schon noch zu den größeren Wettkämpfen schaffen. Auch nach der Pandemie wurde ich wieder fitter und fitter. Dann kam leider das mit der Schulter, was nochmal alles in meinem Leben gedreht hat. Aber damit, dass es nicht jeder ganz an die Spitze schaffen kann, komme ich gut zurecht. Und ich bin wirklich froh, wie gut es mit der Arbeit läuft", sagt er.

Turnen – immer noch ein Hobby

Nach Turnen und Turnhallen verspürte er nach dem Ende seiner Sportkarriere zunächst auch keine besonders große Sehnsucht mehr. "Die ersten paar Wochen, da bin ich ehrlich, hatte ich nicht viel Bock. Aber seit ein paar Wochen bin ich wieder regelmäßig in der Halle. Für mich. Und ich habe auch gerade wieder richtig Spaß im Training", verrät er. Selbst die kaputte Schulter hat sich immer weiter gebessert. "Komischerweise. Wahrscheinlich, weil ich ein, zwei, drei Monate relativ wenig damit gemacht habe", vermutet er. Turnen will er aber dennoch nur als Hobby weiterverfolgen. "Ob ich noch einmal bei irgendeinem Wettkampf mitmache oder nicht, das lasse ich mir gerade einfach noch offen", sagt er.

LESETIPP

SPROSSENWAND Ausgabe Karriere | 3/2022

Dual zum Erfolg | Sportler suchen den Erfolg im Team mit der Bundespolizei

Beitrag lesen

Bewerbungsaufruf & Bewerbungsvorgang

Einem jährlichen Bewerbungsaufruf (jeweils zum Jahresbeginn) folgend können sich Sportler*innen über den DTB bzw. den jeweiligen Spitzensportverband für eine Aufnahme in die Spitzensportförderung der Bundespolizei bewerben.

Neben den allgemeinen Voraussetzungen für den Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei müssen Bewerber*innen dem Bundeskader angehören und nach einer individuellen Prognose das Potenzial besitzen, Höchstleistungen auf Weltniveau zu erzielen.

Im Zuge des Auswahlverfahrens verschafft sich eine Kommission u. a. ein Bild von der Berufsmotivation der Bewerber*innen. Es kommen nur Sportler*innen in Betracht, die glaubhaft eine polizeiliche Ausbildung anstreben, da das Verständnis von dualer Karriere bei der Bundespolizei den Aspekt einer dauerhaften Berufsausübung nach dem sportlichen Karriereende umfasst.

Jedes Jahr stellt die Bundespolizei bis zu 12 Bewerber*innen zum 1. September in Kienbaum ein, wobei die Förderplätze nicht nach Sportarten quotiert sind.

Aufstiegsmöglichkeit in den gehobenen Dienst

Seit 2020 bietet die Bundespolizei die Möglichkeit, noch während der aktiven Leistungssportkarriere den Grundstein für eine Karriere im gehobenen Polizeivollzugsdienst zu legen.

Nach Abschluss der regulären Ausbildung im mittleren Polizeivollzugsdienst können Sportler*innen innerhalb der Spitzensportförderung der Bundespolizei einen ca. sechsmonatigen Lehrgang als verkürzten Praxisaufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst absolvieren.

Ansprechpartner: 
Sven Drese | Telefon: 033434 8029-102
E-Mail: presse.kienbaum@polizei.bund.de

AUSGABE         Nachwuchs 02-2024 | Turn-Team Deutschland | Zwei Wege, zwei Geschichten, ein Arbeitgeber
AUTOR              Nils B. Bohl