Lukas Dauser bei den European Championships in München | Foto: Minkusimages
Turn-Team Deutschland

Lukas Dauser im Gespräch

Vorbereitung auf die Spiele

Wie läuft die Vorbereitung von Lukas Dauser, Turner des Turn-Team Deutschland, für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris? Und welche Rolle spielt Bruno Hambüchen, der Onkel von Fabian Hambüchen für die Karriere von Lukas Dauser? Diese und viele weitere Fragen stellte Susanne Rohlfing Lukas Dauser im Gespräch.

Herr Dauser, Sie haben die EM Ende April in Rimini wegen einer Infektion verpasst. Es war nicht der erste gesundheitliche Rückschlag, Sie haben das schon öfter in ihrer Karriere erlebt. Wir sehr hat Sie das diesmal in Ihrer Olympiavorbereitung beeinträchtigt?

Es war schon richtig doof. Zuerst habe ich noch alles versucht, um zur EM zu kommen, es hat dann aber leider nicht geklappt. Die Ärzte haben mir einen Riegel vorgeschoben und ich hätte es auch vom körperlichen Zustand her nicht geschafft, die EM zu turnen. Das war natürlich extrem bitter. In meiner Jahresplanung hat die EM im Hinblick auf die Olympischen Spiele eine wichtige Rolle gespielt. Absagen zu müssen und wochenlang in den Seilen zu hängen, war schwer zu verdauen. Ich hatte zwischendurch einen Rückschlag und musste nochmal für eine Woche komplett raus aus dem Training. Es war ein Hin und Her, ich musste ein Herz-Ultraschall und ein Belastungs-EKG machen, bis ich endlich wieder voll trainieren konnte. Das hat genervt, es war extrem schwer für mich, geduldig zu bleiben. Die Zeit rennt. Glücklicherweise habe ich zu Hause eine tolle Unterstützung von meiner Frau und meiner Familie. Und ich habe meinen Trainer Hubert Brylok, der für mich eine Schlüsselfigur ist in meiner Karriere. Er bringt da immer Ruhe rein. Er hat mit mir den Plan angepasst und schenkt mir Vertrauen. Das tut gut.

Sie sind im Sommer 2020 nach Halle zu Hubert Brylok gewechselt. Mit ihm kamen die großen Erfolge: Olympia-Silber 2021, WM-Silber 2022 und der WM-Sieg im vergangenen Jahr.

Das heißt natürlich nicht, dass die anderen Trainer nicht gut mit mir gearbeitet haben. Man muss so eine Karriere von klein auf aufbauen. Aber die Zusammenarbeit mit Hubert Brylok hat mir nochmal einen Schub gegeben, hat mich auf ein neues Level gehoben. Er ist für mich ein sehr guter Trainer, weil er nicht nur den Turner in der Turnhalle sieht, sondern auch alles außenherum. Er sagt, es müsse im Umfeld alles stimmen, damit du in der Halle deine Leistung bringen kannst. Er hat eine unglaubliche Erfahrung, über 40 Jahre, das merkt man in den verschiedensten Situationen. Andere werden bei so einem Rückschlag wie bei mir jetzt nervös, aber er strahlt immer eine extreme Ruhe aus. Dazu hat er einen klaren Plan, wie wir uns auf die Wettkampfhöhepunkte vorbereiten. Dabei lässt er mir aber auch genügend Freiheiten, wie ich sie in meinem Alter und in unserer individuellen Sportart brauche. Menschlich ist er einfach unglaublich, es gibt kein Training mit ihm, bei dem man nicht mal aus vollem Herzen lachen muss. Er ist einfach ein lustiger Typ.

Sie betonen immer wieder, wie wichtig es ist, nicht nur in, sondern auch außerhalb der Turnhalle Profi zu sein. Wann hatten Sie diese Erkenntnis?

Das war 2017, als ich mir das Kreuzband gerissen hatte und 16 Monate lang keinen Wettkampf turnen konnte. In dieser Zeit bin ich vom Profi zum Vollprofi geworden. Da hatte ich viel Zeit, mir Gedanken zu machen. Ich habe überlegt, an welcher Stellschraube ich noch drehen kann, um besser zu werden als vor der Verletzung. Da ist dieser Weg entstanden. Ich habe mir einen Ernährungsberater geholt und einen Athletiktrainer. Ich habe mit einem Gewichtheber zusammengearbeitet, um meinen Oberschenkel wieder aufzubauen, der neun Zentimeter weniger Umfang hatte als der andere. Ich habe mit Mentaltraining begonnen. Da habe ich gemerkt, wie viel Prozent man Drumherum noch herausholen kann.

Ihr Mentaltrainer ist Bruno Hambüchen, Onkel und ehemaliger Mentaltrainer von Fabian Hambüchen. Der spielt eine nicht unerhebliche Rolle in Ihrer Karriere, beginnend mit den Olympischen Spielen 2004 in Athen, Sie waren elf Jahre alt, sahen Hambüchen im Fernsehen und dachten sich: Olympia, da will ich auch hin.

Ja, da ist mir diese Vision Olympische Spiele so richtig in den Kopf gekommen. 2016 konnte ich mir das dann erfüllen und habe damals glücklicherweise noch mit Fabian in einem Team turnen dürfen. Er ist dort Olympiasieger am Reck geworden. Ich weiß noch, wie ich auf den Zuschauerrängen gesessen und ihm zugejubelt habe. Auf dem Weg zurück ins Olympische Dorf saß ich im Shuttle und dachte: Ey, das ist einer von uns. Und er hat es geschafft, Olympiasieger zu werden. Da war für mich die nächste Vision geboren. Und fünf Jahre später konnte ich mir auch diesen Traum von einer olympischen Medaille erfüllen. Ich kann daher schon sagen: Fabian ist für mich ein Mentor. Ich kann ihn jederzeit anrufen, er ist für mich ein Freund geworden. Und dass ich jetzt mit seinem Onkel als Mentaltrainer arbeite, ist natürlich ein großer Vorteil für mich. Er hat viele Situationen aus dem Turnen mit Fabian schon erlebt und kann mir super weiterhelfen.

Was sagt denn der Mentaltrainer zu ihren Marotten, für die Sie ja inzwischen bekannt sind. Die Glücksunterhose, die exakt parallel aufgestellten Badelatschen, das Aufstehen aus dem Bett mit beiden Beinen gleichzeitig?

Er findet das gar nicht so gut. Aber er sagt auch: Das zu ändern, nachdem du es dir schon angewöhnt hast, ist auch blöd. Er rät mir, dem nicht zu viel Bedeutung zukommen zu lassen. So mache ich es auch. Ich habe die eine oder andere Marotte. Aber wenn etwas mal nicht klappt, ist es für mich eine Challenge, zu beweisen, dass ich es auch ohne diese Rituale schaffe, meine Leistung abzurufen. Gerade das mit den Badelatschen klappt nicht immer. Manchmal ist es hektisch oder was auch immer. Davon lasse ich mich jetzt zum Glück nicht mehr komplett aus der Ruhe bringen. Vor zehn Jahren war das noch anders, aber durch die Erfahrung bin ich entspannter geworden.

Seit wann haben Sie die Unterhosen-Marotte?

Seit den Olympischen Spielen 2021.

Dann ist die also noch nicht zehn Jahre alt. 

Nee, das wäre schlecht. Das mit den Badelatschen mache ich aber schon etwas länger.

Sie sind letztes Jahr Weltmeister geworden, haben geheiratet, wurden zum Sportler des Jahres gekürt. Da traut man sich ja fast gar nicht zu hoffen, dass dieses Jahr noch besser werden könnte. Oder? 

Das letzte Jahr war schon unglaublich, das ist schwer zu toppen. Für mich zählt jetzt, dass ich gesund bin, dass ich Spaß habe an dem, was ich mache. Dass ich alles reinlege in die letzten Wochen der Vorbereitung und dann meine dritten Olympischen Spiele turne. Ich versuche, nicht so viel über die Vergangenheit nachzudenken, das bringt mir nichts. Oft passiert es mir, dass ich schon in der Zukunft bin, dass ich mich frage, was ist morgen. Als sehr strukturierter Mensch mache ich mir immer gern einen Plan. Dabei vergesse ich oft, in der Gegenwart zu leben. Das ist für mich das Wichtigste: In der Gegenwart bleiben, den Moment wahrnehmen und genießen. Dann kann man am Ende des Jahres ein Fazit ziehen und gucken, welches Jahr besser war. 

Wir wird Ihre Übung in diesem Jahr aussehen? Anders als im letzten Jahr beim WM-Sieg?

Der Plan ist, dass ich eine etwas andere Übung turne. Sie wird um drei bis vier Zehntel schwieriger sein, also im Ausgangswert eine 6,9 oder 7,0. Von der Stabilität her ist sie noch nicht ganz auf dem Niveau der alten Übung, aber es wird. Die Konkurrenz schläft nicht, die werden auch nochmal etwas drauf packen. Wer sich nicht weiterentwickelt, bleibt stehen. Das will ich nicht. Ich habe die alte Übung in petto, die ist super. Aber ich würde schon gern die neue Übung turnen.

Was genau ist anders? 

Ich habe einen Oberarm-Diamidov mit halber Drehung eingebaut. Das ist ein Aufstemmen in den Handstand und dann eineinhalb Drehungen über einen Arm. Der normale Diamidov aus dem Stütz, also mit einer einfachen Drehung über einen Arm, fällt dafür weg. Das bringt mir drei Zehntel mehr im Ausgangswert. Und bei meinem letzten Element vor dem Abgang kann ich auch noch eine halbe Drehung mehr einbauen, da würde ich die Stützkehre gegen einen Diamidov mit halber Drehung tauschen. Damit könnte ich noch ein Zehntel mehr rausholen. Das mache ich aber nur, wenn ich alles auf eine Karte setzen muss.   

Sprechen Sie aus, dass Sie Olympiasieger werden wollen? 

Natürlich wäre das schön, das wäre ein riesiger Traum. Aber ich weiß, was alles dazugehört, um das zu schaffen. Ich weiß auch, was ich kann. Ich muss bei mir bleiben, an mich denken, meine Übung turnen. Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren und nicht auf irgendwelche Medaillen. Wenn ich meine Übung durchturne, ist vieles möglich. 

AUSGABE        Olympia 03-2024 | Turn-Team Deutschland | Lukas Dauser im Gespräch
AUTORIN         Susanne Rohlfing