Aurelia Eislöffel und Maya Möller | Foto: Thomas Rösler
Turn-Team Deutschland

Trampolinturnerinnen Aurelia Eislöffel & Maya Möller

Schwerelos zwischen Triffis und Effi Briest

Die Faszination des Trampolinsports entstammt einer einzigartigen Mischung aus körperlicher Anstrengung, technischer Präzision und künstlerischer Ausdruckskraft. Vieles davon haben Aurelia Eislöffel und Maya Möller bereits vor wenigen Wochen im portugiesischen Guimarães bei den Europameisterschaften im Synchron an den Tag gelegt. Am Ende schrammten sie bei ihrer Debüt-EM denkbar knapp um einen Platz am Siegerpodest vorbei. "Vierter ist natürlich ein undankbarer Platz. Aber wir sind trotzdem sehr zufrieden mit der Platzierung. Das erste Mal im Erwachsenenbereich und dann direkt unter den besten Vier stehen zu können", sagten die beiden.

In der Folgezeit stand statt "Triffis" (Dreifach-Salto vorwärts mit 1/2 Schraube) für Eislöffel "Effi Briest" auf dem Programm. "In der letzten Woche habe ich mich hauptsächlich auf die Schule konzentriert und die Sachen nachgearbeitet, die ich die letzten Wochen davor verpasst habe", erzählt Eislöffel. Und dann habe sie auch mal wieder was mit Freundinnen und Freunden unternommen. "Die habe ich auch lange nicht mehr gesehen", sagt sie. Denn an der Schule steckt sie noch mitten in der Kursarbeiten-Phase. "Dementsprechend war dann auch nicht mehr viel Zeit für etwas anderes", sagt sie. Für Möller hieß es in die Welt der "Emilia Galotti" des 19. Jahrhunderts einzutauchen. Eigentlich gibt Möller zu, liege ihr ja Mathe mehr als Lessings bürgerliches Trauerspiel.

Es wird auch mal laut

Beide literarischen Protagonistinnen finden ja bekanntermaßen ein tragisches Ende. Damit dies nicht auch den beiden Trampolinturnerinnen widerfährt, geben viele helfende Hände an den Stützpunkten alles.

Maya Möller und Aurelia Eislöffel beim Trampolin Weltcup 2024 in Cottbus

Im Falle von Eislöffel besonders praktisch: Vater Steffen ist zugleich Trainer an ihrem Stützpunkt in Bad Kreuznach. "In der Halle finde ich es eigentlich echt schön, dass mein Vater auch mein Trainer und daher so nah dabei ist. Weil er meistens versteht, was ich ausdrücken will. Auch wenn ich es mal nicht so exakt sagen kann", erklärt die 17-Jährige. Und das gelte besonders dann, wenn mal nicht alles rund laufe. "Wenn es vielleicht mal ein wenig lauter wird, was natürlich eigentlich nicht sein sollte, aber ich halt manchmal nicht verhindern kann, denn er versteht das», lacht sie. Ihr Vater könne sie dann besser beruhigen als viele andere Trainer. "Weil er mich eben schon 17 Jahre lang kennt."

Für Möller dagegen wäre so eine Konstellation nichts. "Also ich glaube, es ist ganz gut, dass ich meinen Dad nicht als Trainer habe. Ich denke, das würde sich dann irgendwann zu sehr mit dem Privaten vermischen", sagt sie. Denn außerhalb der Halle möchte sie gerne auch mal über andere Dinge sprechen als über ihren Sport. 

Bad Kreuznach und Frankfurt

So synchron sie sich auch auf dem Trampolin präsentieren, so unterschiedlich sind die beiden künftigen Trampolinstars an verschiedenen Stellen. Während Eislöffel am Bundesstützpunkt in Bad Kreuznach trainiert, strebt Möller am Bundesstützpunkt in Frankfurt nach Perfektion. Wie sie dennoch bei Wettkämpfen zu absoluter Synchronität zusammenfinden, ist nach Möllers Ansicht eigentlich ganz einfach erklärbar: "Wir haben im Einzel ein ziemlich gleiches Niveau. Deshalb passt es auch synchron sehr gut. Von der Höchstschwierigkeit und den Sprüngen machen wir fast dieselben. Auch wenn wir lange nicht zusammen trainiert haben, funktioniert das aus diesem Grund dennoch eigentlich auf Anhieb immer ganz gut", betont sie. Dem Zufall überlassen wollen die beiden Trampolinturnerinnen dann aber doch nichts. "Vor wichtigen Wettkämpfen fahre ich einmal die Woche nach Bad Kreuznach. Oder Aurelia kommt einmal die Woche nach Frankfurt. Und dann trainieren wir zusammen", erklärt Möller. Rund eine Stunde Autofahrt liegt zwischen den beiden Stützpunkten. "Das ist machbar", sagt sie.

Nicht immer ein Herz und eine Seele

Heute ein Herz und eine Seele, konnten die beiden Spitzenathletinnen anfänglich gar nicht miteinander. Warum genau das so kam, daran können sie sich beide nur noch undeutlich erinnern. "Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich war bei meinem ersten nationalen Wettkampf, dem Filder-Pokal und da wurde so viel von ihr geredet. Das hat mich damals irgendwie gestört", lacht Möller heute.

"Damals waren wir nicht so auf einer Wellenlänge", räumt auch Eislöffel mit einem Schmunzeln ein. Irgendwann seien sie dann bei einem Wettkampf hintereinander in der Schlange gestanden. "Ich weiß gar nicht mehr, wann das war, aber da haben wir angefangen miteinander zu reden. Weil es halt saulange gedauert hat, bis man endlich dann wieder auf dem Gerät war", erinnert sich Eislöffel. Da habe es auf einmal geklickt. "Und wir haben dann auch beschlossen, dass wir zusammen Synchron turnen wollen", sagt sie.

Best Buddies

So wurde aus den beiden Konkurrentinnen absolute Best Buddies. "Seitdem haben wir eigentlich fast jeden Tag Kontakt. Wir sind die besten Freunde", verrät sie. Wenn man so eng wie die letzten vier Wochen zusammen sei, entstehe natürlich eine Verbindung. "Die ist dann auch anders als zu normalen Freunden. Die sieht man zwar auch jeden Tag in der Schule. Aber ich bin mit Maya jeden Tag auf dem Zimmer. Wir gehen zusammen essen, wir gehen frühstücken, wir schlafen in einem Zimmer. Unsere Betten stehen meistens dann so zusammen, dass wir meistens sogar in einem großen Bett schlafen. Deswegen ist es einfach eine andere Verbindung wie die mit normalen Freunden aus der Schule", findet Aurelia.

Mit ihren jeweiligen Trainingsbedingungen sind die Beiden sehr zufrieden. "Ich bin in Frankfurt ganz zufrieden, aber wenn ich in Kreuznach trainiere, finde ich es da auch gut", sagt Möller. In Letzterem sei es zwar in vieler Hinsicht am einfachsten. "Weil man direkt eine große Halle mit wirklich ganz, ganz vielen Geräten hat. Und eine Grube und eine Lounge und so", erklärt sie. "In Frankfurt ist es ein bisschen aufgeteilt, also da haben wir eine Halle mit sechs Geräten und eine Grube mit den Turnern zusammen."

Starke Trainingsgruppe

Auch Eislöffel findet Bad Kreuznach einen tollen Standort. "Wir haben eine sehr gute Halle, wo man neue Sprünge lernen kann. Wir haben einen sehr guten Trainer, der auch mit mentalen Blockaden sehr gut umgehen kann. Und wir haben eine unglaublich starke Trainingsgruppe mit dem Fabian Vogel, Aileen Rösler, Jan Eicke Horna und mit den Ukrainern, die jetzt gerade noch da sind, haben wir viele, die international auch weit vorne sind", zählt Aurelia auf. Bei Vogel, der als einziger Deutscher bereits einen Olympiaplatz im Trampolinturnen habe, könne man sich als Youngster viel abschauen.

Auch die Unterstützung durch Physiotherapie und Behandlungen durch Ärzte klappten durch die geschlossenen Kooperationen in Bad Kreuznach richtig gut. "Wir haben mindestens einmal pro Woche einen Physiotherapeuten, der zu uns in die Halle kommt. Und wenn wir zusätzlich noch was brauchen, dann schreiben wir denen einfach und dann können wir da auch meistens noch am gleichen oder spätestens am nächsten Tag dann hin", erklärt Eislöffel.

Immer auf dem neusten Stand

Den Stützpunkt für den Erfolg zu verlassen ist für Eislöffel keine denkbare Option. "Ich würde schon sagen, dass ich Bad Kreuznach sehr treu bin. Denn hier ist auch meine Familie. Mit der bin ich jeden Tag rund um diese Halle aufgewachsen und ich verspüre schon allein deswegen eine große Verbundenheit. Unsere Halle ist eine der besten, wenn nicht sogar momentan die beste Halle, die es in Deutschland gibt", betont sie. Hier gebe es genügend Höhe, genügend Geräte, und auch regelmäßig neue Geräte. "So dass wir wirklich immer auf dem neuesten Stand bleiben", ist Eislöffel überzeugt.

Katarina Prokesova, Maya Möller, Steffen Eislöffel und Aurelia Eislöffel (v. l. n. r.)

1a-Unterstützung auch von der Schule

Auch was die Schule angeht, sind die beiden Trampolinturnerinnen glücklich mit ihrer Situation. Für Möller war das Sportinternat in Frankfurt keine Option. "Ich wohne in Dietzenbach, daher bin auch hier auf der Schule", sagt sie. Die Heinrich-Mann-Schule gebe sich richtig Mühe, wenn es darum gehe, ihre Topathletin zu unterstützen. "Wenn meine Mom eine E-Mail an unseren Oberstufenleiter wegen einer Befreiung vom Unterricht schreibt, dann antwortet er mir meistens umgehend über die ‚schul.cloud‘, dass ich die Schulbefreiung direkt am nächsten Tag abholen kann", sagt Maya. 

Doch nicht nur die Befreiungen funktionierten gut und schnell. "Auch die Lehrer laden das Unterrichtsmaterial meistens hoch oder Freunde bringen es mir mit", erzählt Möller. Was sie aber an ihrer Schule besonders mag, ist die Wertschätzung der sportlichen Leistung. "Letztens habe ich auch mit meiner Mathelehrerin, zehn Minuten darüber geredet, was man mit dem Trampolinturnen denn so erreichen kann, also Olympia und ob man das auch hauptberuflich machen kann. Es freut mich sehr, wenn die Lehrer Interesse zeigen", sagt Maya.

Auch Eislöffel kennt keine Schulprobleme. "Was bei uns am Stützpunkt manchmal als Problem gesehen wird, ist, dass wir kein Internat und keine spezielle Sportschule dabei haben", sagt sie. Das sei aufgrund der vielen Schulen rund um den Stützpunkt kein Problem. "Also ich gehe jetzt zum Beispiel auf das Lina-Hilger-Gymnasium. Das ist keine Sportschule, aber es gibt neben Chorklassen in den Orierntierungsstufen auch Sport als Leistungsfach in der Oberstufe. Ich bekomme dort gute Unterstützung", sagt sie. Wenn sie zu einem Weltcup oder zu einer EM fahren müsse, dann sei das gar kein Problem. "Dann schreibt meine Mama eine E-Mail, meistens an den Schulleiter - ich bekomme dann eine Schulbefreiung mit den Wünschen viel Spaß und viel Erfolg zurück", verrät Aurelia. Und sollten in dieser Zeit Arbeiten geschrieben werden, müsse es zusätzlich noch mit dem Fachlehrer abgesprochen werden. "Aber dann ist das eigentlich auch gegessen", sagt sie. 

Und plausible Gründe, Eislöffels Sporteinsätze zu verweigern, gibt es ohnehin nicht: "Weil meine Noten eigentlich gut sind, dass da keiner irgendwie widersprechen und sagen könnte, ich schaffe es sonst nicht. Deswegen ist das eigentlich auch nie ein Problem gewesen", glaubt sie.

Eines würden sich jedoch beide Athletinnen wünschen: mehr mediale Beachtung. "Es ist schon so, dass Trampolin eher als Randsportart bezeichnet wird und Turnen mehr die Hauptsportart ist", findet Eislöffel, deren großer Traum die Teilnahme an Olympischen Spielen ist. "Dort hatten die Turner und Turnerinnen und die Rhythmischen Sportgymnastinnen zugegebenermaßen in den letzten Jahren mehr Olympia-Plätze. Sie haben sich auch generell dort mit Medaillen gut präsentiert, wo es beim Trampolin in den letzten Jahren ein bisschen gehapert hat", sagt sie. Eislöffel hofft nun darauf, dass durch den Olympia-Platz 2024 auch Trampolinturnen wieder populärer wird und auch Medien wieder mehr darüber berichten. Und wenn das alles nicht hilft, dann kann das synchrone Duo es ja vielleicht bis Los Angeles 2028 sogar selbst in die Hand nehmen.

AUSGABE         Nachwuchs 02-2024 | Turn-Team Deutschland | Schwerelos zwischen Adolf und Effi Briest
AUTOR              Nils B. Bohl