Timo Eder mit der Silbermedaille | Foto: Privat
Turn-Team Deutschland

Gerätturner Timo Eder

Der Spieler

Sein Trainer nennt ihn "einen Spieler". Im positiven Sinne, wie Thomas Andergassen betont. Denn Timo Eder probiert sich gerne aus, testet neue Bewegungen an den Geräten. "Manchmal bekommt man das als Trainer gar nicht mit", sagt der Coach. Doch die Freude daran, sich selbst immer wieder anders herauszufordern, macht eine der Stärken des Turners aus und verhilft ihm schon jetzt, mit erst 18 Jahren, zu einer großen Bandbreite an Elementen.

Im vergangenen Jahr ist Eder erstmals bei den Aktiven angetreten. Nachdem er bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Antalya Silber am Boden gewonnen hatte, die erste deutsche Medaille beim männlichen Nachwuchs auf dieser Ebene, erschien ihm das Debüt bei den nationalen Titelkämpfen der "Großen" in Düsseldorf reizvoller, als noch einmal im gewohnten Umfeld anzutreten. Mit Bronze am Boden bewies er auf Anhieb seine Klasse.

"Ich hatte schon etwas darauf gehofft", gibt Eder zu.

Allerdings sei ihm die Übung dann nicht so gut gelungen, und so überraschte es ihn, dass es am Ende trotzdem für einen Podestplatz reichen sollte.

Bundestrainer Valeri Belenki hält viel von dem jungen Athleten. Er sei einer von denen, die als Letzter aus der Halle gehen, überaus fleißig, mit guter Figur, sauber und elegant turnend. Zudem ein Akrobat mit wenigen Schwächen und damit ein typischer Mehrkämpfer. Allein an den Ringen habe Eder noch größeren Nachholbedarf, nachdem er wegen Schulterproblemen den Kraftakt dort über viele Monate hinweg meiden musste.

"Aber ich bin auf gutem Weg", versichert der Sportler.

Internationale Premiere in der Heimat

Der Zufall wollte es, dass er seine internationale Premiere bei den Senioren in Stuttgart feierte, dort also, wo er im Kunstturnforum täglich trainiert. Durch eine Verletzung des Hallensers Nick Klessing war der Youngster kurzfristig ins Aufgebot für die Team Challenge gerutscht, die sich beim EnBW DTB Pokal Ende März den Kampfrichtern stellte, und war auch im Mixed-Wettbewerb mit dabei, in dem sich die Gastgeber Bronze sicherten. Bei Eder hat das auch außerhalb der Porsche Arena zusätzlichen Stress verursacht, denn noch am Morgen seines ersten Auftritts musste er in der Schule eine Biologie-Klausur schreiben, und am Montag stand schon wieder eine andere Arbeit an. "Aber es hat sich gelohnt", resümiert der Abiturient, der in diesem Jahr die Schule beenden wird. Turnen, das ist nun mal seine große Leidenschaft, und jeder Wettkampf, den er mitnehmen kann, helfe ihm, konstanter sein Können abzurufen. Mal abgesehen von dem herausragenden Erlebnis, vor großer Kulisse auf dem Podium zu stehen. Nur wenige Tage später bekam er dazu die nächste Gelegenheit: Beim World Challenge Cup in Antalya katapultierte er sich im Sprung-Finale auf den sechsten Platz.

Timo Eder bei den Deutschen Jugendmeisterschaften der Männer, 8. Juli 2018 in Halle/Saale, Sporthalle Bildungszentrum

Wo alles begann

Eder kann sich an keine Phase erinnern, in der ihm das Springen und Schwingen keinen Spaß bereitete. Zusammen mit der Mutter hatte der Ludwigsburger als Dreijähriger beim heimischen Männerturnverein (MTV) im Eltern-Kind-Turnen angefangen. Andere Sportarten interessierten ihn nicht, weil Barren und Reck von Beginn an seins waren. Nur in der Freizeit kickt er gerne mal, "aber nie im Verein".

Mit neun begann er auch in Stuttgart zu trainieren, anfangs nur zweimal in der Woche, aber er wollte mehr, immer dort sein in diesem kleinen Turnparadies, so, wie andere das auch durften. Stetig ging es bergauf, an der Seite sein eineinhalb Jahre jüngerer Bruder Jonas, der quasi den gleichen Karriereweg absolvierte und mit dem er sich gut versteht.

Foto: Jonas Eder bei den Deutschen Jugendmeiserschaften 2018 in Halle/Saale

Beste Freunde – große Fans

Heute besucht Timo Eder, der weiterhin zu Hause bei seinen Eltern wohnt und täglich pendelt, das Wirtemberg-Gymnasium in Stuttgart, das mit dem Stützpunkt kooperiert. Für manche Übungseinheit am Morgen ist er freigestellt. Die zehnte Klasse konnte er strecken. Der damit verbundene Wechsel in die jüngere Jahrgangsstufe verschaffte ihm beste Freunde. Die neuen Kameraden sind ihm wichtig, mit ihnen verbringt er viel Zeit, beim Mittagessen, bei abendlichen Treffen. Sie selbst sind keine Leistungssportler, aber Fans, wenn Eder in wichtigen Wettbewerben an den Start geht, waren sie teilweise auch dabei, als er 2022 bei den Junioren-Europameisterschaften in München Fünfter mit der Mannschaft wurde.

Das bedeutet mir sehr viel.

Nach dem Schulabschluss …

Die gemeinsamen Stunden, gefüllt mit Bowling, Essen gehen, die Fußballspiele des VfB Stuttgart schauen oder anderen "normalen" Aktivitäten, geben auch ihm das Gefühl, nicht anders zu sein. Es tut dem Begabten gut, dass die Mischung aus Training und alltäglicher Freizeit stimmt. Doch er ist sich bewusst, dass sich das bald ändern könnte. Nach dem Schulabschluss hofft Eder auf ein Dasein in der Sportfördergruppe der Bundeswehr, später soll ein Studium dazukommen. Aus jetzt 23, 24 wöchentlichen Trainingsstunden könnten dann deutlich mehr werden.

Timo Eder ist bereit dazu. Von Salti und Schrauben, von Kippen und Felgen bekommt er nicht genug. Schon in diesem Jahr möchte er sich bei den Olympia-Qualifikationen während der Deutschen Meisterschaften in Frankfurt und danach in Rüsselsheim so fit wie möglich präsentieren. Auf ein Ticket nach Paris rechnet er sich nur geringe Chancen aus, trotzdem "will ich nicht vorher aufgeben".

Der Adler am Reck

Für seine Hartnäckigkeit steht sein aktuelles Lieblingsteil: der Adler am Reck.

Als Pflichtelement konnte Eder diesem Umschwung mit Einbücken in den Handstand in noch jüngeren Jahren wenig abgewinnen. "Ich war froh, als ich ihn das letzte Mal geturnt hatte", sagt er rückblickend. Doch dass ihm das Teil nicht so gut wie gewünscht gelingen wollte, ließ ihm keine Ruhe, und vor drei Monaten ging er noch einmal freiwillig heran. Dass es nun plötzlich klappt, gibt ihm ein gutes Gefühl, "das zeigt, dass ich Fortschritte mache".

Noch sieht er sich nicht als "Wettkampftyp"; zu oft habe er das im Training Erlernte im Ernstfall nicht optimal zeigen können. Deshalb hofft Eder in der Zukunft auf möglichst viele Gelegenheiten, unter Druck zu bestehen. Nur so könne man sich die Stabilität erarbeiten, die andere Nationen wie die Japaner oder die Amerikaner auszeichne.

 

Foto: Timo Eder am Reck beim EnBW DTB Pokal 2024 in der Porsche Arena in Stuttgart

Was stört?

Eigentlich, sagt Eder, gebe es nur eine Sache, die ihn manchmal beim Turnen stört.

Dass ich mich, wenn ich ins Training komme, erst mal aufwärmen muss.

Er wisse natürlich, wie wichtig es ist, den Körper gründlich auf die Belastungen vorzubereiten, die Muskeln zu dehnen. Aber wenn er in einer Halle mit Geräten steht, sagt Timo Eder, "dann will ich am liebsten sofort loslegen".

AUSGABE         Nachwuchs 02-2024 | Turn-Team Deutschland | Der Spieler
AUTORIN          Katja Sturm