Postkarte Turnfest | Bildquelle: Archiv
Fundstück

Grüße vom Turnfest

"Gut Heil!"

Nach dem Aufkommen der Postkarten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bürgerte sich der Brauch ein, Grüße an Familie und Freunde zu senden.

Auch Turner nutzten eifrig das neue Medium.

Besonders von festlichen Ereignissen, wie Fahnen- oder Hallenweihen, Gau-, Kreis- oder Landesturnfesten sind zahlreiche Grußpostkarten überliefert. Als Chromolithografien reich verziert, sind sie begehrte Sammelobjekte. Von Deutschen Turnfesten gab es neben "offiziellen" Festpostkarten viele weitere Anbieter.

Nicht immer hatten die Karten die rechteckige Form und mussten deshalb mit dem etwas teureren Briefporto verschickt werden.

Postkarte vom Deutschen Turnfest 1898 in Hamburg

Wir haben eine selten gut erhaltene runde Karte ausgewählt, die uns freundlicherweise von dem Sammler Günter Herber, Wiesbaden, zur Verfügung gestellt wurde. Mit einem Durchmesser von 22 cm hat der Kartengruß vom Deutschen Turnfest in Hamburg 1898 zudem eine außergewöhnliche Größe.

Die Karte ist zwar "gelaufen", die Adressenseite wurde aber nicht zu Grüßen verwendet.

Die Bildseite zeigt im Zentrum auf einer Treppe die Figur der gerüsteten "Hammonia", die den Turner "huldigt". Sie hält einen Schild mit dem Wappen der Stadt Hamburg. Der Turner steht links im Bild vor Reck und Barren, bereit, den Siegerkranz entgegenzunehmen. Rechts eine Gruppe von fahnentragenden Turnern in Festkleidung. Im Hintergrund sieht man das Wahrzeichen Hamburgs, den "Michel", hinter mit Fähnchen geschmückten Schiffen. Umrundet wird die Szene zur Hälfte von einem geflochteten Eichenkranz, der von gekreuzten roten Bändern gehalten wird. Er endet links in einem medaillonähnlichen Portrait des "Turnvaters" Jahn, rechts in einem Wappenschild mit Hanteln, Fechterhaube und Waffen. In der Mitte, oben, das "Turnerkreuz" auf einem Wappenschild.

Auf unserer Auswahl an Karten begegnet uns der Turnergruß "Gut Heil" der "Bürgerlichen" ebenso wie das "Frei Heil" der Arbeiterturner, die 4F (Frisch, Frei, Fröhlich, Fromm) wie die unseres FFST (Frisch, Frei, Stark, Treu) der Arbeiterturner, die Turnerfarben rot-weiß oder schwarz-rot-gold, die Reichsfarben (nach 1871) schwarz-weiß-rot.

Friedrich Ludwig Jahn, der "Turnvater", wurde in beiden politischen Lagern verehrt und den Nachwuchsturnern als Vorbild zur Nachahmung empfohlen.

Fabrikanten, wie z. B. Dietrich & Hannack aus Chemnitz, nutzten die Turnfeste zur Produktwerbung. Nach 1900 finden sich vermehrt Fotopostkarten mit den unterschiedlichsten Motiven:

  • Atelieraufnahmen von Turnergruppen mit Kleingeräten,
  • "Turnerpyramiden" oder
  • turnerische Einzelübungen an Geräten oder, wie hier, Feldpostkarten "hinter der Front" oder aus Gefangenenlagern.

Die Bildseiten der Postkarten sind oft reich verziert und geben mit ihrer Gestaltung und Symbolik Hinweise auf das auf zeitgenössische Denken.

AUSGABE         Trends 05-2023 | Historisches | "Gut Heil!" - Grüße vom Turnfest
AUTOR              Dr. Lothar Wieser