Urban Yoga beim Internationalen Deutschen Turnfest | Bildquelle: turnfestfotos
Fit & Gesund

Trendsport Yoga?

Warum die jahrtausendealte Praxis aus Indien boomt

Liegt es an der schnelllebigen Zeit, die innere Unruhe hervorruft? Liegt es daran, dass uns übervolle To-Do-Listen und permanente Erreichbarkeit an unsere Grenzen bringen und der Körper nach einer Auszeit lechzt?

Sicher ist: Yoga hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Welle der Popularität erlebt und sich zu einem regelrechten Trend entwickelt. Immer mehr Menschen weltweit und quer durch alle Altersgruppen entdecken die Vorteile dieser jahrtausendealten Praxis für Körper und Geist für sich. 

Yoga ist die Reise des Selbst, durch das Selbst, zum Selbst.

Bhagavad Gita 

Sonja Wäger-Kuhn, DTB-Kursleiterin

Die DTB-Kursleiterin Sonja Wäger-Kuhn kann das bestätigen: "Viele sehnen sich nach einem Innehalten und wollen raus aus dem Hamsterrad. Sie möchten mehr ins Wahrnehmen und ins Fühlen kommen." Die ausgebildete Yogalehrerin weiß, wovon sie spricht. Auch wenn sie erst 2010 die Ausbildung beim VTF begonnen hat, praktiziert sie Yoga im Grunde bereits seit 2004. Damals kam ihr schwerstbehinderter Sohn zur Welt, der ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte. Doch statt in Depressionen zu verfallen, lernte sie, dieses Schicksal anzunehmen und Themen anzupacken, die man nicht ändern kann. Ihr gelang es, durch diese Herausforderung zu wachsen und sich nicht davon zerstören zu lassen. Und zu erkennen, dass das Glück nicht im Äußeren liegt. Genau darin liege die Essenz von Yoga. Heute kann Sonja Wäger-Kuhn mehr denn je bestätigen:

"Yoga ist nicht nur Asana-Praxis auf der Matte, sondern eine Lebenseinstellung."

Ganzheitlich gut – für Körper und Geist

Die Gründe, weshalb sich Menschen heutzutage verstärkt für Yoga interessieren, sind so divers wie die Asanas (= Yoga-Haltungen/Körperstellungen). Neben dem Stressabbau und der Suche nach Entspannung hilft die indische Lehre dabei, den Geist zu fokussieren und die Konzentration zu verbessern. Achtsamkeitspraktiken fördern das bewusste Leben im Moment, eine tiefere Verbindung zu sich selbst und zur Natur. Doch auch der Körper profitiert: Yoga stärkt die Muskulatur und verbessert die Flexibilität. Es trägt zur Verbesserung der Körperhaltung bei und kann Rückenschmerzen lindern. Und es fördert die Koordination und das Gleichgewicht. Kurzum: Yoga bietet eine breite Palette von Vorteilen, die es für Menschen unterschiedlichen Alters und Lebensstilen zugänglich macht. Die Kombination aus körperlicher Aktivität, geistiger Entspannung und spiritueller Entwicklung macht Yoga zu einem ganzheitlichen Ansatz für ein gesünderes und erfüllteres Leben.

Denn wer regelmäßig Yoga praktiziert, kann im Alltag stark davon profitieren. "Man wird gelassener und erkennt Stressfallen viel schneller", bestätigt Sonja Wäger-Kuhn. "Wenn man zum Beispiel im Stau oder an vollen Supermarktkasse steht, bringt einen das nicht mehr so schnell aus der Ruhe. Man lernt, Dinge hinzunehmen, wie sie sind. Man beobachtet still, ohne zu bewerten." Darin liege die Kraft von Yoga, die in unserer hektischen Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Deutlich mehr Männer auf der Matte

Dass Yoga Körper und Seele gleichermaßen guttut, erkennen auch immer mehr Männer. In einer aktuellen Studie des Berufsverbands der Yogalehrenden in Deutschland e.V. (BDYoga) aus dem Jahr 2023 heißt es:

"Obwohl der Zuwachs sowohl bei Männern als auch bei Frauen stattgefunden hat, konnte sich Yoga vor allem unter den Männern in den vergangenen Jahren etablieren. Im Jahr 2018 war Yoga noch hauptsächlich unter Frauen beliebt, jetzt liegen beide Geschlechter auf vergleichbarem Niveau (Männer 2023: 17%, Frauen 22%)."

Diesen Trend kann Daniel Eichler, der über langjährige Erfahrung als Trainer und Lehrer in Yoga und Pilates verfügt, und als Referent im Bereich Yoga für den Deutschen Turner-Bund tätig war, bestätigen: "In den Kursen ist seit einigen Jahren bemerkbar, dass sowohl mehr Männer unterrichten als auch teilnehmen."

Dass heute eine wachsende Zahl an Männern Yogalehrer ist, sorgt wiederum dafür, dass es deutlich mehr männliche Yogis gibt als früher: "Männer haben weniger Hemmungen Yogakurse zu belegen, die von Männern geleitet werden. Ihre Zurückhaltung wird reduziert, weil sie erkennen, dass sie nicht alleine sind", resümiert der 51-Jährige. Ganz ursprünglich sei es ohnehin so gewesen, dass Yoga bis bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gar nicht an Frauen unterrichtet wurde. Erst mit dem Unabhängigkeitsbestreben Indiens habe sich das geändert. Es gab Bestrebungen, sich einerseits zu modernisieren und andererseits die Yogalehre in die westliche Welt zu bringen.

Der indische Yogalehrer, Ayurveda-Heiler und Gelehrte T. Krishnamacharya, der häufig als "Vater des modernen Yoga" bezeichnet wird, war es, der Yoga als erster auch Frauen näherbrachte. Mit der Zeit wurde das Interesse an Yoga in der westlichen Welt immer größer und wurde zur Frauendomäne. Die Gründe leuchten ein: Der spirituelle Anklang und die softe Form der Bewegung fand bei den eher fitnessorientierten Männern zunächst weniger Anklang. Erst in den 1990er-Jahren entstand durch Bryan Kest und seinem Power-Yoga ein kraftvoller Stil, der auch verstärkt Männer ansprach. Das Image von Yoga wandelte sich allmählich. Inzwischen stellt Daniel Eichler fest, dass in Fitnessstudios neben Hanteltraining neuerdings viel mehr Männer Übungen mit Yoga-Elementen machen. Dazu zählt er zum Beispiel funktionelles Training oder Faszientraining. "Das Körperbewusstsein hat sich geändert und es gibt zahlreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Es ist nun selbstverständlicher, zusätzlich zum Krafttraining etwas für den Körper zu machen, um mobiler und flexibler zu werden."

Urban Yoga vor dem Reichstag. Foto: turnfestfotos

Weniger Spiritualität, mehr Power

Sonja Wäger-Kuhn kann dem zustimmen, denn gerade die Spiritualität, die in der Yoga-Praxis so wichtig ist, könne auf manche abschreckend wirken. Power-Yoga sei hier eine geeignete Variante für Menschen, die Yoga gerne im Team machen. Diese ist geprägt durch einen kraftvollen Stil und mehr Flows.

"Ohne Mantras ist Power-Yoga viel zugänglicher für westliche Menschen und auch Männer und bietet so einen schönen Einstieg." Sie gibt selbst zu, dass sie zwei Jahre gebraucht habe, das Ohm mitzusingen. "Das war mir anfangs viel zu abgehoben und spirituell."

Um Yoga noch mehr Menschen zugänglich zu machen, hat Sonja Wäger-Kuhn für die DTB-Akademie "flowing AthletiX® Yoga meets Athletic" zusammen mit ihrer Kollegin Anja Blondzik entwickelt, das das Beste aus athletischem HiiT mit Bewegungsabläufen und Atemtechniken aus dem Yoga vereint – und bildet hier deutschlandweit im Rahmen der DTB-Akademie aus. "Das Kurskonzept ist ein großartiger Einstieg für alle Interessierten, um Kraft, Dehnfähigkeit und Achtsamkeit zu vereinen."

DTB-Akademie "flowing AthletiX® Yoga meets Athletic"

Durch seine Vielfalt ist Yoga auf dem besten Weg, weiter zu wachsen und ins Bewusstsein der gestressten Bevölkerung zu rücken, um für Ausgeglichenheit auf allen Ebenen zu sorgen. Der indische Yoga-Lehrer B.K.S. Iyengar bringt es auf den Punkt:

Yoga ist der Weg, auf dem die Entwicklung des Menschen in den drei Dimensionen Körper, Geist und Seele zur vollen Entfaltung gelangt.

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AUSGABE         Trends 05-2023 | Fit & Gesund | Trendsport Yoga?
AUTORIN          Julia Schöppner-Fleige