Referentin Nadine Holzapfel | Bildquelle: NTB
Fit & Gesund

Bankerin Nadine Holzapfel bereut Sprung in Fitness-Selbstständigkeit nicht

Scheune statt Scheine

Früher, sagt Nadine Holzapfel, habe sie ihre Brötchen als Bankerin verdient. "Ich habe eine Bankausbildung gemacht und neben der Arbeit noch Bankwesen studiert", erzählt die 47-jährige Thüringerin.

Während der Euro-Einführung Anfang des Jahrtausends sei sie in die Wirtschaft gewechselt und schließlich Produktmanagerin geworden. Sport war dabei für die erfolgreiche Businessfrau trotzdem weiterhin wichtig. Früher in der Schule habe sie Leistungsturnen mitgemacht. So richtig gut sei sie dabei aber nie gewesen. Sie lacht:

Mein Trainer hat mal gesagt, ich hätte eine Grazie wie ein Bauer.

Stringtangas & Tights

Während der Ausbildung verschlug es sie nach Niedersachen. "Mit Sport war da gar nichts mehr. Irgendwie fehlte mir so aber etwas", sagt sie. Und so kam es zu einer kleinen Entscheidung, die doch ihr weiteres Leben maßgeblich beeinflussen sollte. "Mein späterer Ehemann ging mit mir ins Fitnessstudio. Da habe ich dann das erste Mal einen Aerobic-Kurs mitgemacht", erinnert sie sich. Damals habe man noch Stringtangas über der Tight getragen. "Ja, solche Klamotten hatte ich tatsächlich auch", lächelt sie.

Da es sich bei dem Objekt um ein kleines, familiäres Studio handelte, wurde die engagierte Holzapfel schnell eingebunden und schließlich auch gefragt, ob sie denn an einer Showgruppe teilnehmen würde. Dabei entstanden erste nähere Kontakte zum Trainerteam. Als Holzapfel in ihren Gesprächen mitbekam, dass es durch Krankheitsfälle immer wieder zu Kursproblemen kam, bot sie spontan ihre Hilfe an. "Leute, hört zu. Bildet mich aus, ich würde es probieren", ließ sie die Trainer wissen.

Das erste Mal

Ende 1996, erzählt sie, habe sie dann mit 18 Jahren zum ersten Mal vor einer Gruppe gestanden. "Ich weiß noch sehr genau, wie das war. Ich habe versucht eine Choreografie hinzubekommen. Die ist voll in die Hose gegangen", verrät sie. Holzapfels Motivation tat das keinen Abbruch. "Das erste Mal geht sowieso meistens nicht glatt", sagte sie sich und gab nicht auf. "Am Anfang habe ich mit dem Rücken zur Gruppe begonnen, weil ich auch mit den Spiegeln im Studio arbeiten konnte", erklärt sie. Auch die Eins in der Musik rechtzeitig anzusagen, gestaltete sich viel schwieriger als ursprünglich gedacht. Dies ist aber bei Aerobic sehr wichtig. "Ich hatte es immer wieder beim Einzählen nicht geschafft, die Eins zu treffen. Dadurch hat das unwahrscheinlich lange gedauert", fand sie. Sie erkannte schließlich, dass beim Aerobic zahllose Prozesse gleichzeitig ablaufen. "Und erst wenn es von außen total einfach wirkt, macht man es richtig", weiß sie heute.

2015 – die erste Lizenz

Ihre erste Lizenz machte Holzapfel erst 2015. "Das war echt spät. Vorher habe ich einige Weiterbildungen gemacht, die ich auch ohne Lizenz machen konnte. Es war für mich eben nur ein Hobby, das ich nebenher betrieben habe", räumt sie ein. Mittlerweile umgezogen in den Harz, siedelte sie sich in Herzberg beim dortigen Männerturnverein an. Die haben gesagt, sie können mich nur dann als Übungsleiterin absetzen, wenn ich eine Lizenz mache. Also habe ich 2015 beim Niedersächsischen Turnerbund meine erste Lizenz gemacht, Fitness und Aerobic. Die beiden Ausbilderinnen haben gesagt: "Nadine, bei dir ist es Jammern auf hohem Niveau. Mach doch bitte weiter. Wir benötigen jemanden wie dich in der Ausbildung. Schließlich werden wir ja nicht jünger", erinnert sie sich. Und so geschah es.

Ein eigenes Fitnessstudio?

Irgendwann in dieser Zeit reifte in Holzapfel dann ein Gedanke. "Warum mache ich das eigentlich nicht jeden Tag? Aber wie bekomme ich das zum Rechnen?"; fragte sie sich.

Als sie zu ihrem jetzigen Freund ziehen wollte und sich beruflich neu orientierte, fand sie ein Inserat für ein Studio in einem alten Lagerhaus auf dem Land. Nun wusste sie, dass sie von ihrem Traum nicht mehr weit entfernt war. "Es war eines mit sehr viel Holz", sagt sie. Und das passte hervorragend zu ihrer Vorstellung, dass ihr künftiges Studio etwas Warmes, etwas Familiäres ausstrahlen sollte. Dem sollte natürlich auch der künftige Name Rechnung tragen. Denn was sie nicht wollte, war eine weitere, anonyme Version von First-Fitness-Löhlbach oder ähnlichem. "Mein Partner kam dann auf den Namen Sportscheune", verrät sie. Den sich daraus entwickelnden Familiendialog hatte Holzapfel sofort vor Augen: "Schatz, wo bist denn du?" - "Ich bin in der Scheune". Und das war es, wonach sie gesucht hatte.

Den Leuten helfen

"Mein Ziel ist, dass die Leute sich bei mir wohlfühlen. Denn wenn sie sich wohlfühlen, dann bleiben sie auch. Und dann bringen sie andere mit", erklärt sie ihre Philosophie. "Ich bin keine Verkäuferin, ich sehe mich als Beraterin. Ich möchte den Leuten helfen. Das ist meine Motivation", betont sie. Leuten zu helfen sei auch ihre Motivation als Referentin. "Ich finde es toll, wenn ich sehe, wie Menschen sich entwickeln und ich Ihnen dabei helfen konnte", sagt sie. Dass sich auch die Sportscheune selbst weiterentwickle, sei der normale Weg der Dinge. Und Ideen sind jede Menge vorhanden. Was Holzapfel mit ihrem Studio aber niemals möchte, ist zur bloßen Kulisse degradiert zu werden. "Ich möchte nicht nur diese Instagram-Mädels haben, die dann nur vor dem Spiegel stehen und Fotos machen, es soll sich jeder willkommen und wohl fühlen", stellt sie klar.

Als Holzapfel im Januar 2020 das Ruder übernahm, erwartete sie ein schwerer Start. "Du kommst auf ein Dorf, keiner kennt dich und dann wird das Studio wegen Corona geschlossen. Aber das wusste in 2019 man ja nicht. Dann kommen viele Kündigungen aus diversen Gründen noch dazu", sagt sie. Sehr ungünstige Startvoraussetzungen also, und die habe sie mitten in der Pandemie auffangen müssen. 

Ihre Bankerausbildung kam Holzapfel bei der Finanzierung zu Hilfe. Nicht nur, dass sie in der Lage war, ihr Projekt gut durchzurechnen. "Auch die Banken sprechen ganz anders mit einem, wenn man selbst aus dem Bankwesen kommt. Ich hatte auch das Gefühl, sie agieren ein bisschen anders, wenn sie merken, man hat das Ganze selbst studiert", glaubt sie. Und dass Holzapfel zudem noch fundierte Marketingerfahrung vorweisen konnte, war ebenfalls kein Nachteil. "So breite Praxiserfahrung bringen nur sehr Wenige mit. Das fanden die Banken sehr positiv. Und so habe ich es dann auch geschafft, einen Kredit zu bekommen, um das Fitnessstudio zu übernehmen", erzählt sie.

NEU: Cardio-Geräte und ein kompletter Kursbereich

Um nagelneue Hightech-Geräte brauchte sie sich erst einmal nicht zu kümmern. "Ich habe ältere Geräte, die sind vielleicht 15 Jahre alt. Aber es sind Geräte, die man noch manuell bedient und daher richtig gut sind. Man kann sie auch für Leute einstellen, die Gelenkprobleme oder andere Einschränkungen haben", erklärt sie. Lediglich den Cardio-Bereich erneuerte sie komplett. "Ich habe da auch ein paar neue Sachen reingebracht, die meine Vorgänger nicht hatten. Ein Rudergerät, einen Stairmaster und sowas", sagt sie. Die größte Neuerung war, dass Holzapfel einen kompletten Kursbereich aufbaute. "Ich habe auch Reha-Sport-Psychiatrie mit reingenommen. Also nicht nur Orthopädie, sondern auch Psychiatrie", erklärt sie. Das sei etwas, was es in Deutschland noch nicht so häufig gebe.

Bei ihren Kunden punktet Holzapfel daher auch nicht mit zehn verschiedenen Sorten Eiweißshakes und elektronischen Wunderwerken, sondern durch ihr fundiertes Wissen, wenn es ans Eingemachte geht. "Erst als ich mich selbstständig gemacht hatte, habe ich gemerkt, was für ein Wissen man ansammeln kann, wenn man sein Hobby liebt", sagt sie. Dass selbst die Physiotherapeuten einer Reha-Einrichtung sie schon um Rat gefragt haben, begreift Holzapfel als großes Lob. "Die haben das alle gelernt oder studiert, ich habe nur meine ganz vielen Fortbildungen und Lizenzen gemacht", betont sie.

Familiäre Atmosphäre

So ist Holzapfels Kundenkreis auch bunt gemischt. "Das finde ich auch gut. Ich habe Leute, die pumpen. Ich habe Menschen, die abnehmen wollen. Ich habe Ältere über 80 Jahre und ich habe auch sehr junge, die dann halt aber nur in Begleitung der Eltern kommen dürfen", erzählt sie. Ihr Einzugsgebiet erstrecke sich über ca. 15 Kilometer um den Kreis. Und für alle gilt an der "Bar" der Sportscheune – ganz familiär – die Selbstbedienung. Wer etwas aus dem Schrank nimmt, trägt es in eine Liste ein. Fast wie zuhause.

Daher hofft die heutige Studioleiterin auch darauf, dass ihr gut durchgerechneter Plan bald aufgeht. Denn was sie nicht auf dem Plan gehabt hatte, war ein Virus namens Covid-19. "Das macht es mir nicht leicht, weil ich schon viel rein investiert habe. Und da stehen auch zusätzlich Leasingverträge dahinter", räumt sie ein. Und auch die Pacht wurde deutlich erhöht. Dennoch sieht sie mittlerweile Licht am Horizont. "Es geht wieder aufwärts. Ich habe mehr Mitglieder, als zu dem Zeitpunkt, als ich angefangen habe", berichtet sie. Ganz Unternehmerin, hat sie ihr Ziel, noch ein zweites Studio aufzumachen, weiterhin fest im Fokus.
 

Immer noch eine One-Woman-Show

Habe ich einmal so etwas wie Freizeit oder gar Urlaub, dann ist das Thema meist klar definiert. Mit meinem Partner Motorrad zu fahren.

Die Konsequenz daraus ist allerdings ein gewisser Raubbau an den eigenen Ressourcen. "Ich arbeite um die 60 Stunden die Woche an fünf Tagen. Denn ich mache so gut wie alles selbst. Aber ich will weiter bestehen bleiben, weil sonst hätte ich während Corona schon längst das Handtuch geworfen", gibt Holzapfel zu und eröffnet Einblicke in ihr Unternehmerleben: "Ich mache meine Marketingaktionen, ich mache die Homepage, ich mache Facebook, Instagram und was dazu gehört. Der Steuerberater will etwas haben, die Mitgliedsverwaltung muss gepflegt sein und auch den Mitgliedern selbst möchte ich persönlich noch nah sein. Und natürlich müssen auch Trainingspläne geschrieben, Kurse gegeben und Ernährungsberatung und Körperanalysen gemacht werden. Da kommt unwahrscheinlich viel zusammen", führt sie aus. Außer einer Dame, die sich u. a. um die vielen kleinen Dinge im Studio kümmert und einem Umschüler, der sie bei den Trainingsplänen und ein wenig im Büro unterstützt, ist Holzapfel noch immer eine One-Woman-Show.

Der Blick zurück schmerzt sie dennoch höchstens finanziell. "Ich verdiene bei weitem nicht mehr so viel wie früher. Aber ich bin glücklich mit dem, was ich tue und was ich habe", sagt sie. Außerdem habe sie in ihrem alten Beruf sehr viel erleben dürfen, sei das Arbeiten in China oder bei der Premiere von "Herr der Ringe III" in London live mit dabei zu sein. Dafür sei sie dankbar, schließlich profitierten letztlich auch die Kunden davon, dass ihr Horizont nicht an der Studiotür endet. "Die Leute merken, Mensch, das ist ja nicht nur so ein dummer Fitness-Hansel, der da vorne rumspringt", glaubt sie. Ein bisschen Kismet sei bei ihrer Lebensgeschichte sicher mit dabei. "Manche Sachen musste ich wohl machen, um dorthin zu kommen, wo ich jetzt bin", ist sie überzeugt.

Und hat Holzapfel einmal so etwas wie Freizeit oder gar Urlaub, dann ist das Thema meist klar definiert. "Mit meinem Partner Motorrad fahren. Die Zeit mit ihm ist durch meine Selbstständigkeit und das Referententum schon echt knapp. Gleichzeitig habe ich sieben Lizenzen, die immer wieder verlängert werden müssen", sagt sie. Das müsse man immer im Blick behalten. 

Von der Ausbildungsqualität der privaten Anbieter sei sie allerdings in der Vergangenheit teilweise enttäuscht gewesen. Die sei beim DTB und beim NTB hochwertiger gewesen. "Deshalb bin ich bei diesen beiden Vereinigungen mit meinen ganzen Aus- und Weiterbildungen geblieben", erklärt sie. Auch den "Group-Fitness-Master" habe sie aus diesem Grund dort absolviert. "Aus meiner Sicht waren das anspruchsvolle Prüfungen. Das waren Sachen, wo man gemerkt hat, die wollen auch was sehen", findet sie. Im DTB dann bei ihrem Vorbild Chris Harvey den Master zu machen, empfand Holzapfel gar als große Ehre. 

Der ganz persönliche "Wahnsinn": Referentin

Als Ausbilderin zu wirken sei etwas, was sie sich früher nie hätte vorstellen können. Doch mit steigendem Wissen stieg auch Holzapfels Wunsch, dieses weiterzuvermitteln.  "Und dann steht man plötzlich bei einem Kongress irgendwann selbst als Referentin auf der Bühne", sagt sie.

Warum sie das mache? "Es macht mir Spaß. Und ich lerne. Ich lerne auch von meinen Teilnehmern, ich stehe mit ihnen im Dialog", erklärt sie.

Ihre Terminpläne als Referentin, sagt sie, seien randvoll. "Ich nehme schon jetzt kaum noch Termine für 2024 an. Die ersten für 2025 stehen auch schon", berichtet sie von ihrem ganz persönlichen "Wahnsinn".

Persönliche Freiheit: Die (Sport-) Scheune

Die Sportscheune im Video

Doch Holzapfel genießt die persönliche Freiheit, die ihr die (Sport-) Scheune bietet, in vollen Zügen. Selbst wenn sie bei manchen Entscheidungen ganz gerne jemanden hätte, der ihr als Sparrings-Partner ermöglicht, auch wirklich alle Aspekte richtig zu sehen. "Was ich nicht vermisse, ist, dass mir jemand vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe", sagt sie. Schon früher habe es sie genervt, immer wieder das O.K. ihres höheren Vorgesetzten einholen zu müssen. Und das, obwohl sie die Gruppenleiterin gewesen sei. In der Sportscheune sei sie die Herrin ihrer eigenen Entscheidungen, mit allen Risiken. "Und ich habe definitiv auch einige Fehlentscheidungen getroffen. Aber ich lerne daraus", sagt sie.

Es macht mir Spaß!

Ihren Schritt in die Fitnessbranche bereut Holzapfel nicht. Denn die Sportscheune gibt der Bankbetriebswirtin etwas, was ihr zuvor abhandengekommen schien. "Es macht mir Spaß! Denn wenn es mir keinen Spaß machen würde, würde ich das so alles gar nicht schaffen", ist sie überzeugt.

Sportscheune
Fitnessstudio für gesunden Sport
in Haina Löhlbach

Website Sportscheune 

 

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AUSGABE        Fitness 01-2024 | Fit & GesundScheune statt Scheine
AUTOR             Nils B. Bohl