Rick Jurthe beim Feuerwerk der Turnkunst | Bildquelle: DTB
Einblicke

Rick Jurthe

Vom Solosänger zum Kreativdirektor

Eigentlich wollte Rick Jurthe "ein klassischer Popstar" werden. Mit der eigenen Musik auf großen Festivals auftreten und im Rampenlicht stehen. Der 33-Jährige sinniert:

Erst vor Kurzem habe ich realisiert, wie weit weg ich von dem bin, was ich mal als meinen Traum definiert hatte. Und wie glücklich ich damit bin.

Hand in Hand mit der Regisseurin

(Bild: Rick Jurthe mit der Band THE PEPPERS. TSF GmbH)

Seit sieben Jahren zählt der in der Kleinstadt Gehrden geborene Niedersachse zum Team des "Feuerwerk der Turnkunst". Vom Solosänger, als der er anfing, hat er sich zum musikalischen Leiter hochgearbeitet.

Jurthe komponiert und arrangiert die Stücke, zu denen die Artist*innen und das Showteam auf der jeweils Ende des Jahres beginnenden, einmonatigen Tournee durch Deutschland ihre Darbietungen dem Publikum präsentieren, und sitzt, wie zuletzt bei "Spirit", während der Vorstellungen selbst am Klavier.

Doch das ist längst nicht alles: Immer mehr und besser hat sich der Singer-Songwriter mit viel Eigenengagement auch in alles andere hineingefuchst, was in künstlerischer Hinsicht mit dem "Feuerwerk" zu tun hat, hat dabei viel von Heidi Aguilar und ihrem Team gelernt und erarbeitet mittlerweile Hand in Hand mit der Regisseurin das Gesamtkonzept. Inzwischen, so verrät Jurthe, sogar als Kreativdirektor. 

Der Zufall brachte die beiden Kreativen zusammen. Jurthe, der schon von klein auf "immer Musik gemacht" hat und als Kind mit dem Klavierspielen begann, war mit einer seiner Bands vor knapp zehn Jahren beim Fuchsbau Festival in Lehrte aufgetreten, als Aguilar ihn dort hörte. "Sie hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, mal mit auf Tour zu gehen", erzählt er, und er habe Ja gesagt.

Mit Turnen habe er vorher nichts zu tun gehabt, sei aber immer sportlich interessiert gewesen und läuft und klettert auch selbst. Heute trainiert Jurthe sogar gerne mit dem Showteam mit, das beim "Feuerwerk" für fließende Übergänge sorgt und die Hauptacts mit Tanz und Bewegung begleitet; damals sei für ihn vieles noch neu und unbekannt gewesen.

Was als lockere Zusammenarbeit begann, ist mittlerweile zum Vollzeitjob des studierten Musikers geworden, der sich in Hannover, London und Stockholm ausbilden ließ und dabei seinen Schwerpunkt auf Komposition und Produktion legte. Noch während eine Tour läuft, wird bereits an der folgenden gewerkelt. Die Bewegungskünstlerinnen und -künstler, die auftreten, stünden schon zwei oder drei Jahre im Voraus fest. 

"Es sind jedes Mal andere, um das Programm möglichst interessant und abwechslungsreich zu gestalten", sagt Jurthe.

Musik auf den Leib geschrieben

Anhand der Videos ihrer Nummern werde deren Position im Ablauf festgelegt. Dann beginnt Jurthe damit, "musikalische Ideen" zu suchen, entscheidet, "welcher Act welche Dynamik benötigt", und schreibt den Artisten quasi die Musik auf den Leib. Nicht immer behält er dabei das Gewohnte bei; eine schnelle, feurige Nummer wie die ursprüngliche des argentinischen Duo Rings aus "Spirit" kann sich in eine romantische Liebesgeschichte verwandeln. Das stoße bei den Protagonisten, die frühzeitig um ein Feedback gebeten werden, nicht unbedingt gleich auf Begeisterung.

Aber manchmal sind es genau die Skeptiker, die später am meisten zufrieden sind.

Während der intensiven Probenwoche, für die jeweils um Weihnachten herum alle in Oldenburg zusammenkommen, wird dann geschaut, ob Bewegung und Töne wirklich miteinander harmonieren und in welches Licht die überwiegend aus dem Zirkus- und Varieté-Milieu stammenden Künstler von Designer Marc Brunkhardt getaucht werden.

Obwohl Jurthe selbst nur Klavier und Percussion spielt, hat er längst ein Gefühl dafür entwickelt, welche Instrumente sich jeweils für Melodien und Begleitung eignen.

Bei den "krassen und gleichzeitig eleganten Hebefiguren" des Duo Rings etwa fuhr ihm schnell der Gedanke durch den Kopf, dass eine Violine die Hauptmelodie übernehmen sollte.

Hilfreich: die eigene Karriere

Sein Blick für die Bewegungen, den Ausdruck der Körper hat die wachsende Erfahrung geschult. Ein gewisses Vorwissen, was Präsentation angehe, habe er aus seiner eigenen Karriere mitgebracht. "Ich habe zwar nie am Theater gearbeitet", sagt Jurthe.

"Aber wenn man eigene Musik macht und drumherum alles konzipiert", Bandfotos, Musikvideos, Kostüme, Performance auf der Bühne, "lernt man das."

Zudem habe er schon immer ein Faible für Musiktheater gehabt und trage entsprechend viele Bilder in seinem Kopf, die ihn bis heute inspirieren.

Live-Musik

für das "Feuerwerk"

Seit 2018 schreibt Jurthe die komplette Live-Musik für das "Feuerwerk". "Früher haben die Artisten Aufnahmen ihrer eigenen  Musik mitgebracht."

Das habe gut funktioniert, sagt Jurthe. Aber durch die Gesamtkomposition erhielten die Shows einen eigenen Charakter.

"Wir können die unterschiedlichen Acts, die aus allen Teilen der Welt kommen, so auf ganz besondere und individuelle Art miteinander verbinden."

Der rote Faden

Damit dieser "rote Faden" nicht reiße, habe er selbst beim Komponieren stets den Gesamtablauf im Blick, bei "Spirit" erstmals auch ein eigens dafür gedichtetes Märchen um ein goldenes Wesen.

Zudem lässt der Fachmann bestimmte Themen und Phrasen immer wieder aufploppen.

Comedian Mikhail Usov hat sogar eine eigene Melodie, die jeden seiner poetischen Auftritte begleitet und so für einen Wiedererkennungswert sorgt.

Der Soundtrack

Aufnahmen des Soundtracks (Score) sind nur in Verbindung mit den Shows zu bekommen, damit die Menschen, die diese besuchen, sich an sie erinnern. Jurthe hat mit der Gema, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, die in Deutschland die Nutzungsrechte von Musik verwaltet, einen Sondervertrag geschlossen, dass er dafür seine Werke freigibt. Der Urheberrechts-Verein, der im Namen der Schöpferinnen und Schöpfer Geld einsammelt, wenn deren Musik irgendwo gespielt wird, habe so nichts mehr mit dem "Feuerwerk"-Soundtrack zu tun.

"Ich fühle mich sehr wohl in der Rolle, die ich ausfülle", sagt Jurthe.

"Es ist genial, das Kreative mit dem Sportlichen zu verbinden."

Das erfülle ihn, "ich will genau das tun".

3. Platz Vorentscheid Eurovision Song Contest 2018

In die Musikwelt, von der er früher träumte und in die er unter anderem beim nationalen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2018 in Lissabon hineinschnupperte, bei dem er unter seinem Künstlernamen Ryk mit seinem Lied "You and I" den dritten Platz belegte, passe er gar nicht hinein. "Selbst als Frontsänger auf der Bühne zu stehen, hat mir immer weniger Spaß gemacht als die Arbeit im Hintergrund."

Den Großteil des Jahres über im Studio zu sein, zu komponieren, Kostüme und Bühnenelemente zu entwerfen, eine Show zusammenzubauen und während dieser schließlich am Klavier in der Ecke im Schatten zu sitzen, "ist genau meins". Man müsse nicht immer "auf Teufel komm raus" seinen eigentlichen Traum verfolgen, sondern könne auch auf anderen Wegen dort landen, wo man wirklich glücklich ist.

Feuerwerk der Turnkunst

Telefon 0511 98097-98
E-Mail  ticketservice@NTBwelt.de

Tickets und Infos:

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www.turntickets.de

AUSGABE  Musik 01-2023 | Einblicke | Vom Solosänger zum musikalischen Leiter
AUTORIN   Katja Sturm