Olympisches Dorf München | Bildquelle: Picture Alliance
Einblicke

Ein Ort der Begegnung

Das Olympische Dorf 1972 – 2022

Das Olympische Dorf – ein Ort der Begegnung, der Vielfalt und des Austauschs, damals wie heute.

Zusammen mit dem Olympiapark ist das Olympische Dorf ein Denkmal an die Olympischen Spiele 1972 in München, in dem man auch heute noch den Flair der Spiele spüren kann. Wo früher knapp 13.500 Athlet*innen und Betreuer*innen wohnten, leben heute ca. 6.000 Menschen.

Anders als heute ging es 1972 jedoch streng getrennt zu.

So wurde das Olympiadorf nicht nur nach den 122 teilnehmenden Nationen aufgeteilt, sondern war in ein Männer- und Frauendorf unterteilt.

Während die 11.715 Athleten und Betreuer in 2.995 Appartements im Männerdorf untergebracht waren, standen in den Bungalows im Frauendorf 1.718 Appartements für je eine Sportlerin und neun Wohnungen für sechs Athletinnen zur Verfügung.

Betonwüste oder futuristischer Wohnentwurf

1998 wurde das Olympische Dorf, zusammen mit dem Olympiapark, unter Ensembleschutz gestellt. Seit 2020 gelten alle Gebäude im Dorf sogar als Einzelbaudenkmäler. Direkt nach den Olympischen Spielen war das Dorf, "die Betonwüste" oder "Geisterstadt", bei Wohnungssuchenden in München nicht sonderlich begehrt. Es bedurfte erst einiger spezieller Förderprogramme, um die Bewohnerinnen und Bewohner in das Dorf zu locken.

Diese stellten jedoch bald die Vorzüge fest: Das Dorf war als Stadt in der Stadt geplant und erfüllte alle Funktionen des täglichen Lebens, von Einkaufsmöglichkeiten, Schule, Kindergärten bis hin zu kulturellen Einrichtungen. Zudem hatten die Architekten (Architektenbüro Heinle, Wischer und Partner) das Dorf oberflächlich komplett autofrei geplant. Bis heute gilt:

Autos fahren im Dorf nur unterirdisch.

Das Rätsel um die bunten Media Lines

Damals wie heute stellt sich vielen Besuchern des Olympischen Dorfes die gleiche Frage:

Was hat es mit den bunten Rohren auf sich, die sich durch das ganze Dorf ziehen.

Von Müllabsauganlage über Wasser- oder Abwasserrohren rankten sich 1972 die Gerüchte. Die Erklärung war aber eine andere: Die 1,6 km langen Lines dienten ganz einfach der Orientierung und der Straßenbeleuchtung. Die verschiedenen Farben der Rohre standen für die Straßen, zu denen sie führten, da das Dorf auf den ersten Blick sehr unübersichtlich wirkte. So steht Blau für die Connollystraße, Grün für die Nadistraße, Orange für die Strassbergstraße und Gelb für den Helene-Mayer-Ring. Außerdem konnten während der Spiele Lautsprecher sowie Sonnensegel und Kühlungen an den Lines angebracht werden, um die Athleten bei den sommerlichen Temperaturen vor der Sonne zu schützen.

Trotz allem sieht man auch heute noch so manchen Pizzaboten verzweifelt durch das Dorf irren, da insbesondere die ungeraden Hausnummern keinem speziellen Prinzip folgen. Grundsätzlich gilt aber:

Gerade Hausnummern sind an den Hochhäusern und die ungeraden Nummern an den flachen Bauten.
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Das Leben im Olympischen Dorf 50 Jahre nach den Spielen

Mittlerweile hat sich das ehemalige Olympische Dorf zu einer der beliebtesten Wohngegeneden in München entwickelt.

Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner wollen nicht mehr wegziehen – und wenn ein Umzug, dann nur innerhalb der Anlage. Neben dem Wohngebiet mit Reihenhäusern, Eigentumswohnung und schicken Penthouse Wohnungen hat das Studentenwerk München die Verwaltung der kleinen Würfel-Bungalows des ehemaligen Frauendorfs übernommen und bietet 2.000 Studierenden dort eine Heimat.

Das "Olydorf", wie es von seinen Bewohnern liebevoll genannt wird, ist aber nicht nur für Architekturinteressierte einen Besuch wert. Wer heute durch die Siedlungen schlendert kann im Studentendorf tolle Graffiti und andere künstlerische Abbildungen des Studentenlebens auf den Fassaden der Bungalows entdecken. Die früher kahlen Wohnbauten erinnern heute durch üppige Bepflanzungen an eine grüne, blühende Oase und Familien und Kinder können überall auf Entdeckungstour gehen und sich auf den zahlreichen Spielplätzen austoben. 2006 erhielt die Anlage nicht nur das Gütesiegel "Kinder- und familienfreundliche Wohnanlage", sondern auch einen Sonderpreis für besondere Kinderfreundlichkeit.

Interessanter Fakt - die Selbstverwaltung

Das Olympiadorf wird von seinen 17 Eigentümergemeinschaften selbst verwaltet.

  • Die Außenbereiche,
  • die Stromversorgung der Beleuchtung,
  • die Müllabfuhr,
  • die Pflege der Parkanlagen und Bäume
  • sowie der Winterdienst

obliegen alle der Verantwortung der größten Eigentümergemeinschaft in München. Parkour und Skateboardfahren sind daher auf der Anlage verboten… alle Schäden müssen schließlich die Anwohnerinnen und Anwohner selbst zahlen.

Alles was unterhalb der Anlage liegt, d. h. die Autostraßen und Gehwege in der Tiefgarage, sind hingegen wieder Sache der Stadt München.

AUSGABE  München 04-2022 | Einblicke | Olympisches Dorf 1972-2022
AUTORIN   Anna-Lena Best-Pohl