Lisa Worthmann | Bildquelle: Minkusimages
Einblicke

Lisa Worthmann

Kletterpartie vom Berliner Volunteer an die europäische Spitze

Angefangen hat für Lisa Worthmann alles 1997 in Berlin. Dort fand nämlich in jenem Jahr die Weltmeisterschaft der Rhythmischen Sportgymnastik statt.

Irgendwie hat mir jemand erzählt, dass man für die WM ehrenamtliche Helfer suchte, erinnert sich die heutige Generalsekretärin des Europäischen Turnverbands (European Gymnastics).

Vereinsarbeit, sagt die gebürtige Hamburgerin, habe ihr schon immer Spaß gemacht. Also habe sie sich auch nach ihrem Umzug nach Berlin als Volunteer beworben und wurde spontan genommen. "Irgendwie bin ich dabei dann wohl auch dem Berliner Turner-Bund (heute: Berliner Turn- und Freizeitsport-Bund) aufgefallen, so dass wir in Kontakt geblieben sind", erzählt sie.

Und so habe sich mit der Zeit eine regelmäßige Zusammenarbeit entwickelt.
Obwohl der Landesverband jedes Jahr internationale Veranstaltungen gemacht habe, sei die Geschäftsstelle zu dieser Zeit noch sehr klein gewesen.

Im Büro habe es kaum jemand gegeben, der so richtig Englisch konnte. Die studierte Eventmanagerin Worthmann dagegen sprach Englisch, Französisch und Russisch.

"So hat es sich ergeben, dass ich jedes Jahr ein bisschen mehr gemacht habe", sagt sie. Fehlendes sportliches Hintergrundwissen kompensierte sie per "learning by doing", organisierte eine Veranstaltung nach der anderen.

"Der fehlende sportliche Hintergrund war dabei zumindest nicht hinderlich", findet sie.

Europameisterschaften 2010

Das Organisationsteam der Europameisterschaften 2010 in Berlin.

Rund zehn Jahre sei das so weitergegangen. Im Vorstand der Berliner Turnerjugend habe sie schließlich begonnen, auch Verantwortung im Ehrenamt zu übernehmen. Als Sven Karg den Berliner Turn- und Freizeitsport-Bund (BTFB) irgendwann verlassen habe, habe sie als Vizepräsidentin auch Verantwortung im Vorstand übernommen.

"Als dann die Europameisterschaften 2010 zur Organisation anstanden, stand man vor der Frage, wer es machen sollte. Da sind sie auf mich gekommen und haben gefragt, ob ich bereit sei, dies auch hauptamtlich zu machen", erinnert sich Worthmann.

Einen Moment lang habe sie gezögert. Schließlich sei es in diesem Fall so, dass man nach zwei Jahren wieder auf der Straße stehe. "Aber es war das, was ich immer gerne gemacht habe. Das hat mich so gereizt, dass ich ja gesagt habe", sagt sie.

Bei der Organisation der EM habe sie dann ungemein von ihrer Arbeit der vergangenen Jahre profitiert. Denn Vieles, sagt sie, baue auf den Strukturen internationaler Wettkämpfe auf. Hinzu kam die berufliche Erfahrung, die sie bei ihrer Arbeit für einen internationalen Konferenzveranstalter gesammelt hatte. "Am Ende war es eine sehr erfolgreiche Veranstaltung. Auch für mich, denn ich habe wieder einmal sehr viel dazugelernt", findet sie. 

Der nächste Karrieresprung

Der Tipp für den nächsten Karrieresprung kam aus dem Schwäbischen Turnerbund, der eine kleine Gruppe von Leuten zur Unterstützung nach Berlin abgestellt hatte.

Der Internationale Turnverband (FIG), wussten die Schwaben mit Blick auf Worthmanns auslaufenden Vertrag zu berichten, suche derzeit Sport- und Eventmanager.

"Ich habe wieder überlegt. Denn Berlin als Wohnort fand ich damals doch sehr attraktiv. Andererseits fand ich die FIG dann aber so spannend, dass ich gedacht habe, probieren kann man es ja mal", blickt sie zurück. Nach langem Warten bot man ihr dort allerdings nicht die erhoffte Stelle an, sondern eine völlig neu geschaffene: Assistentin im Sports Department.

Neue Sichtweise auf die Dinge

Für Wortmann entwickelte sich fortan eine ganz neue Sichtweise auf die Dinge. "Denn die FIG ist ja praktisch die Hüterin der Turnregularien. Das war ein Bereich, in dem ich mich bis dahin kaum ausgekannt hatte", räumt sie ein.

Von Berlinerisch wechselte ihre Amtssprache im Mai 2012 zu Französisch. Richtig heimisch fühlte sie sich in der neuen Herausforderung allerdings nie. Nach relativ kurzer Zeit kam Worthmann dann erneut der Zufall zu Hilfe. "Ein Freund hatte gehört, dass sie für die EM in Bern Leute in verantwortlicher Position suchen", sagt sie.

Eigentlich habe sie die FIG gar nicht so schnell wieder verlassen wollen. "Aber die Chance war einfach zu verlockend", gibt sie zu.

Sie habe sich spontan beworben und sich am Ende gegen ihre Mitbewerber durchgesetzt. Nicht zuletzt aufgrund ihrer großen Erfahrungen im Turnbereich.

"Ich wusste ja gar nicht, dass es so jemanden wie Sie in der Schweiz gibt", habe ihr damals einer der Präsidialen des Verbands gesagt.

Organisieren einer Europameisterschaft

Finanziell sei das Organisieren einer EM in der Schweiz allerdings anspruchsvoller gewesen als in Deutschland. Staatliche Unterstützung fließe da nicht so üppig wie in der Heimat.

"Da ist doch mehr Eigenverantwortung gefragt. Dass in der Schweiz zwar theoretisch mehr Geld da ist, heißt nicht, dass Du es auch bekommst", sagt sie.

Trotz der finanziellen "Bastelarbeiten" wurde auch Worthmanns zweite EM ein voller Erfolg und eine gute Visitenkarte für weitere Aufgaben. Der Schweizer Turnverband jedenfalls war so zufrieden, dass er Worthmann auch künftig in dieser Rolle der Organisatorin von Veranstaltungen sah und ihr eine Vollzeitstelle für diesen Bereich anbot.

Auf den Leib geschneidert

Eine Stelle, die der Eventmanagerin auf den Leib geschneidert war. "Es hat mir mit Projekten wie dem Swiss Cup oder der Gymmotion dort sehr gut gefallen. Ich hatte von mir aus auch nie den Plan, daran irgendetwas zu ändern", erklärt sie. Doch an einem anderen Ort in der Schweiz ändert sich etwas, das auch Worthmanns Zukunftspläne wieder über den Haufen warf. "In Lausanne hatte beim Europäischen Turnverband die Generaldirektorin Kirsi Erofejeff-Engmann beschlossen, in ihre Heimat Finnland zurückzukehren. Und sie rief mich an und fragte, ob ich mir vorstellen könne, ihren Job zu übernehmen. Das fand ich dann doch sehr spannend", lächelt die ehemalige Berlinerin. Ohne die EM in Bern, glaubt Worthmann, wäre das wohl nie so gekommen.

Bereut hat sie den Schritt an die operative Spitze von European Gymnastics jedoch nie. "Auch wenn man denkt, es sei doch jedes Jahr immer wieder dasselbe – stimmt nicht", sagt sie. Denn zum einen erlangten immer neue Dinge Bedeutung, zum anderen wolle der Verband sich ja stetig fortentwickeln. Zum Beispiel schweben der Generalsekretärin neue, zusätzliche Wettkampfformate vor. Oder auch die Standardisierung der TV-Produktion, wie sie zum Beispiel in der Formel 1 stattfindet.
 

Nicht zuletzt deswegen tauscht sich Worthmann auch regelmäßig mit anderen Sportarten aus.

"Es sollte selbstverständlich sein, dass man nicht in der eigenen Turnwelt hängen bleibt. Dass man die anderen Sportarten kontaktiert, wenn man Fragen hat. Oder auch einfach mal schaut, was die vielleicht besser machen, als man selbst", sagt sie. European Gymnastics schneide da im interdisziplinären Vergleich allerdings häufig sehr gut ab. "Wir sind oft professioneller, als wir es selbst von uns glauben", betont sie.


Zehn bis zwölf Wochen im Jahr ist Worthmann nun unterwegs in Europa. Die gesammelten Vielfliegermeilen hat sie nie gezählt. "Das muss man mögen", räumt sie allerdings ein. Den Job als Generalsekretärin sieht Worthmann dennoch als Traumjob. Auch wenn sie nie gezielt an dieser Karriereleiter gebastelt hat. "Ich bin sehr glücklich, da wo ich jetzt bin. Zu sagen, ich wäre nun dort angekommen, wo ich immer hinwollte, wäre jedoch nicht ganz korrekt. 1997 war das sicher nicht mein Ziel. Aber es hat sich einfach immer wieder so ergeben", sagt sie.

Drei goldene Regeln aus ihren langjährigen Erfahrungen hat sie bis in ihre heutige Position dauerhaft mitgenommen.

1. "Versuche, nicht alles durch die Brille Deines eigenen Landes zu sehen, sondern versuche auch durch die Brille der 20 anderen Länder zu schauen, die zu Gast sind. Das wird oft vergessen", betont die Generalsekretärin.

2. "Und wenn man dann irgendwann ein bisschen größer denkt, dann wird sicher die finanzielle Frage die wichtigste Basis einer jeden Veranstaltung. Daher: Plane Dein Budget gut!

3. Und die dritte Regel ist, schaue, dass Du gute Leute um Dich herumhast. Denn wichtig ist, dass der Manager am Ende nicht alles alleine machen muss, sondern ein Team hat, auf das er sich verlassen kann und dem das idealerweise sogar Spaß macht", erklärt sie.

Für junge Menschen, die ihrem Pfad folgen wollen, hat Lisa Worthmann ebenfalls einen Rat parat.

"Sprachen zu sprechen ist ein großer Vorteil. Deswegen lernt Sprachen! Mit diesen lassen sich viele neue Erfahrungen sammeln und Leute kennenlernen. Und dann braucht es noch eine große Portion an Motivation und die Eigenschaft, positiv an Dinge heranzugehen. Die richtige Mentalität ist: Es gibt keine Probleme. Es gibt Lösungen. Für alles", benennt sie das nötige Rüstzeug für den Weg an die internationale Spitze.

AUSGABE  Karriere 03-2022 | Einblicke | Kletterpartie an die europäische Spitze
AUTOR       Nils B. Bohl