Dr. Christine Noe | Bildquelle: DTB
Einblicke

Von der Vize-Präsidentin zur Platzanweiserin

Ganz nah dran als Volunteer

Die Idee, sich als Volunteer bei den European Championships in München zu bewerben, kam bei Dr. Christine Noe vor rund einem Jahr auf. Damals wurde in der Münchner Olympiahalle die Qualifikation der Turnerinnen und Turner für Olympia ausgetragen. Die Vizepräsidentin Sport des Deutschen Turner-Bundes, die in gleicher Funktion auch im Bayerischen Turn-Verband (BTV) aktiv ist, war damals hautnah mit dabei.

"Die gesamte BTV-Geschäftsstelle und das Präsidium haben damals mitgeholfen", sagt sie.

Diese Erfahrung, sagt sie, verbunden mit ihrer Leidenschaft für das Turnen, hätten sie bewogen, sich über das Volunteer Portal zu melden.

Von Gerät zu Gerät - ganz nah dran

"Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich aber nur gemeldet, weil ich mir sicher war, dass ich auch beim Turnen landen werde. Meine Motivation war primär, beim Turnwettkampf zu unterstützen", räumt Noe freimütig ein.

Am Ende sei sie dann tatsächlich auch genau da gelandet, wo sie habe landen wollen. Zwei Aufgaben habe sie in der Münchner Olympiahalle gehabt. "Ich habe die Trainerwechselzone kontrolliert, da es ja Regeln gibt, wie viele Trainer und medizinisches Personal im Innenraum sein dürfen", sagt sie und outet sich als strenge Vertreterin ihrer Zunft. "Viele waren da auch einsichtig, aber nicht unbedingt immer alle", verrät sie. Bis auf ein oder zwei Mal habe das auch gut geklappt.

"Die sind halt auch sehr emotional und wollen an ihren Athleten so nah wie möglich dran sein", hat Noe allerdings durchaus Verständnis. Aber die Regeln seien nun einmal so, wie sie seien, und jeder Trainer kenne die auch. Außerdem habe sie auch noch Mannschaften von Gerät zu Gerät geführt und alle Fragen, die dabei aufgekommen seien, beantwortet.

Besonders interessant fand die Vizepräsidentin auch das Training auf dem Podium.

"Wettkämpfe habe ich ja schon öfters von der Tribüne aus beobachtet. Aber beim Training so nah dran zu sein und die unterschiedlichen Arten und Weisen zu sehen, wie Mannschaften an dieses herangehen, fand ich schon sehr interessant. Das bekommt man ja normalerweise so nicht mit", sagt sie. Und in ihrer Zeit als Volunteer habe sie viele neue Bekanntschaften gemacht und auch viele bekannte Menschen aus dem Turnen seit langem einmal wiedergetroffen.

Besonders schön war, dass ich auch ehemalige Studierende von mir getroffen und mit ihnen gemeinsam eine Schicht gemacht habe.

Noe hat auch in viele anderen Sportarten reingeschnuppert

"Um einmal die Atmosphäre dort mitzunehmen", sagt sie. Wirklich neue Ideen konnte die Vizepräsidentin Sport dabei allerdings nicht sammeln. "Bei anderen Sportarten habe ich nicht so auf die Details geachtet, wie die Wettkämpfe dort organisiert sind und wie das Programm drumherum ist", räumt sie ein.

Beim Turnen jedoch hat Noe ganz genau hingeschaut.

"Die Präsentation der Athleten in der Mitte der Halle fand ich ziemlich gut gemacht. Auch wenn es da Diskussionen gab, dass die Bodenfläche so nicht mehr in der Mitte der Halle war", erzählt sie. Ein paar Dinge, wie man die Volunteer-Einsätze besser organisieren könnte, seien ihr ebenfalls aufgefallen. Die habe sie bereits weitergegeben.

Das Konzept "European Championships" hält Noe für absolut zukunftsfähig.

Der Sport, glaubt sie, profitiere davon. "Ich denke, dass ein so großes Event für die Öffentlichkeit viel besser sichtbar gemacht werden kann. Wenn Turn-EM in Deutschland ist, werden alle Turner hingehen. Aber mit so einem Riesen-Event erreicht man noch einmal viel mehr Menschen. Und ich weiß nicht, ob man als Einzelverband die Fernseh- und Livestreamzeiten bekommt, wenn man die Wettkämpfe so isoliert durchführt", glaubt sie. In München habe man sehen können, dass auch ganz viele Menschen im Olympiapark unterwegs gewesen seien, die zu einem einzelnen Sportevent vermutlich nicht gekommen wären. "Für die Euphorie, für ein bisschen mehr Sportbegeisterung, ist das Modell sicher sehr hilfreich", betont Noe.

"Der DTB hatte die 72er Olympiamannschaften eingeladen. Die waren bei uns im Hotel und haben mit uns zu Abend gegessen. Das fand ich eine schöne Geschichte. Denn die hatten ja auch eine ganze Menge zu erzählen, wie das damals so war. Und wie sie zum Turnen gekommen sind. Das fand ich extrem spannend", berichtet sie.

Einer der Teilnehmer von damals sei sogar im original Olympia-Outfit von 1972 gekommen.

Ihr schönstes Erlebnis in den 14 Tagen von München hatte am Ende allerdings nicht direkt mit ihrem Job als Volunteer zu tun.

Mitgenommen hat sie vor allem die Begeisterung der Menschen. "Diese fröhliche, positive Stimmung, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, war einfach toll. Und die unglaublich vielen verschiedenen Menschen, den man da über den Weg gelaufen ist", sagt sie. Auch, dass am Abend immer noch Aktionen und Konzerte im Olympiapark gewesen seien, hätte die European Championships zu etwas Besonderem gemacht. "Ich bin mal um halb Elf von der Leichtathletik kommend durch den Park gelaufen. Der war noch gefüllt wie am Tag. Extrem stimmungsvoll", erinnert sich Noe. Für sie gibt es daher auch keinen Zweifel: "Die gesamte Veranstaltung war aus meiner Sicht ein voller Erfolg." 

AUSGABE  München 04-2022 | Einblicke | Ganz nah dran als Volunteer
AUTOR       Nils B. Bohl