Fotograf Volker Minkus | Bildquelle: Volker Minkus
Einblicke

Fotograf Volker Minkus

Das Auge des Turnens

Turnen hat Volker Minkus schon als Kind begeistert. Bei seinem Heimatverein, dem TuS Altwarmbüchen bei Hannover, übte der heute 60-Jährige mehrmals in der Woche an den Geräten.

"Hochmotiviert, aber untalentiert", wie er sagt. Im Spitzensport sei für ihn deshalb nie etwas zu holen gewesen.

Fotograf Volker Minkus in seinem Element. Foto: Volker Minkus

Entscheidung fürs Leben

Doch mit 14 war sowieso erst mal Schluss. Wegen der Scheuermannschen Krankheit, einer Abnutzung der Bandscheibe, erteilte ihm ein Arzt ein zwei Jahre währendes Trainingsverbot. Die Eltern und sein damaliger Trainer Horst Enzmann setzten sich zusammen, um zu überlegen, wie der Schüler seine Freizeit in der Zwischenzeit sinnvoll verbringen könnte. Der Coach war im Hauptberuf Kameramechaniker und hatte die Idee, den Teenager fotografieren zu lassen.

Er gab mir eine Kamera.

Es sollte eine Entscheidung sein, die sein Leben prägen würde. Schon nach drei Wochen war dem Anfänger klar, dass er Beruf und Berufung gefunden hatte.

Kleiner Workaholic

Heute ist der Niedersachse aus der Turnszene kaum wegzudenken. Als offizieller Fotograf des Weltverbandes FIG begleitet er die Meisterschaften in den olympischen Sportarten, ist aber ebenfalls bei Aerobic, Akrobatik oder wie zuletzt bei der Welt-Gymnaestrada in Amsterdam unterwegs. "Ein bisschen Sportpolitik" sei auch noch abzulichten, sagt Minkus.

Acht bis zehn Großereignisse kämen so im Jahr zusammen. Zu wenig, um davon als Familienvater mit mittlerweile drei erwachsenen Kindern leben zu können. "Aber ich würde es auch gar nicht aushalten, nur Turnfotos und dann vier Wochen frei zu machen", sagt Minkus. "Ich bin ein kleiner Workaholic. Und bin auch meiner Frau Jana sehr dankbar, dass sie mir bei all dem immer den Rücken frei hält."

Ein Chemielabor?

In seinem Studio an seinem Haus in Isernhagen sehe es aus wie in einem Chemielabor. Neben Sport setzt Minkus für das zuständige Landesamt auch archäologische Funde in Niedersachsen in Szene und arrangiert Experimente für Schulbuchverlage.

"Ich habe nicht nur Spaß an Bewegung, sondern kann mich auch stundenlang mit Kleinigkeiten beschäftigen", verrät er.

Das Schöne an der Sportfotografie aber sei, drei Stunden lang einfach draufhalten zu können, ohne danach mit dem Redakteur oder der Redakteurin diskutieren zu müssen. "Da liefert man 300, 400 Fotos, und mit denen muss er zurechtkommen."
 

Feuer und Flamme für neue Techniken

Mehr als 20 Jahre lang ist der Deutsche mittlerweile für die FIG unterwegs. Nur einmal sei er in dieser Zeit kurzfristig von seinen Aufgaben freigestellt worden. Der damalige Präsident Bruno Grandi hatte sich daran gestört, dass er manche Nationen öfter ablichtete als andere. Das lag, wie Minkus erklärt, an seinem damaligen Vertrag. Neben Flug und Hotel wurden ihm anfangs die Bilder einzeln bezahlt. So konnte er Aufträge für andere annehmen, einzelne Länderverbände etwa, und das beeinflusste seine Auswahl. Seit 2010 hat sich das gewandelt, und er erhält Tagespauschalen.

Der Kontakt kam einst bei einem Stadtrundgang während der Welt-Gymnaestrada 1991 in Amsterdam zustande, als Minkus, der in den Niederlanden für den Deutschen Turner-Bund (DTB) unterwegs war, den damaligen FIG-Generalsekretär Andre Geisbühler kennenlernte und dieser auf der Suche nach einem neuen Fotografen war. Seine Vorgängerin habe "keinen Bock auf digital" gehabt, wie Minkus erklärt. Er selbst sei dagegen "sofort Feuer und Flamme" gewesen für die neuen Techniken, die seinen Beruf komplett veränderten.

In den 1990er Jahren, als noch analog fotografiert wurde, habe man die ganze Arbeit mit nach Hause gebracht. Ab 2000 sei schon alles vor Ort fertig geworden, und seit zwei Jahren würden fast alle Bilder noch während der Veranstaltung abgeliefert und seien eine halbe Stunde danach größtenteils bereits veröffentlicht.

Nicht stehenbleiben

Nicht stehen zu bleiben, sondern weiterzugehen und neue Möglichkeiten zu nutzen, das hat Minkus zeit seiner Karriere interessiert. Als er anfing, lernte er noch den alten Printjournalismus kennen, lieferte schon als 17-Jähriger der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung Bilder von den Bundesliga-Wettkämpfen des heimischen Turnklubbs. Es war dessen starke Phase mit dem späteren Ringe-Weltmeister Andreas Aguilar und dessen Nationalteamkollegen Andreas Japtok und Alfred Lefebre.

Die Zeitung nahm dem jungen Mann damals oft mehrere Motive ab, es gab neben Fußball, Formel 1 oder Tennis noch mehr Platz für andere Sportarten, "und es wurde auch noch solide bezahlt", sagt Minkus. Weil das Entwickeln und Vergrößern viel Arbeit machte, sei die Konkurrenz zudem noch nicht so groß gewesen. Er selbst, der bei einem Lehrgang der Turnerjugend auf Baltrum die Vorgänge erlernte und sich weiteres Rüstzeug mithilfe zweier Foto-Zeitschriften verschaffte, auf die er einmal im Monat vor dem Laden wartete, konnte so schnell Fuß fassen. 

Praktikum, Volontariat, Studium

Nach dem Abitur hatte Minkus bereits einen Studienplatz in Technischer Fotografie sicher, doch bei einem Praktikum zuvor entdeckte er in einer Zeitschrift eine Ausschreibung für ein Volontariat bei einer großen Sportfotoagentur in Düsseldorf und bog erst mal in dieser Richtung ab.

"Damals konnte man beim Fußball noch während des Spiels neben dem Trainer auf der Bank sitzen und danach auf den Platz rennen", erzählt der ausgebildete Allrounder. Viele Homestorys von Spielern und ihren Familien habe er gemacht, ohne bei einem Management darum anfragen zu müssen. Von seinen Experimenten mit Wischtechniken hielt sein Chef allerdings nicht viel, hier werde keine Kunst gemacht, hatte dieser dem Lehrling nach seinem ersten Termin gesagt.

Mehr Erfolg sollte Minkus mit derartigen Versuchen später haben, als er in Dortmund Kommunikationsdesign studierte und gleichzeitig damit begann, für Alcatel, den damaligen Hauptsponsor des Stuttgarter DTB-Pokals, zu arbeiten.

Zusammen mit Grafik-Designer Aguilar entwickelte er unter anderem erste Slideshows und andere eher künstlerische Kreationen.

"Da habe ich angefangen, inhaltlich zu denken und mit Bildern Geschichten zu erzählen", erinnert sich Minkus.

Die Vorführungen vor Gästen im VIP-Raum mit sechs Projektoren, die die Motive in schneller Abfolge zeigten, stellten die Vorläufer der Videos dar, die Minkus später für den DTB drehte und heute auch noch für den Kontinentalverband European Gymnastics anfertigt.

Vor den Heim-Weltmeisterschaften 2019 in Stuttgart etwa zeichnete er für das Format "It’s my turn" verantwortlich, zuvor, als es noch keine Livestreams gab, arbeitete er zusammen mit Aguilar unter dem Titel DTB-TV in kleinen Filmchen tagesaktuelle Geschehnisse bei größeren Wettkämpfen auf.

Der meist veröffentlichte Sportfotograf Deutschlands?

Neben der vielleicht umfangreichsten "Köppe-Sammlung", die Minkus der Tatsache verdankt, dass er für die FIG bei Meisterschaften von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Porträts anfertigen muss, sei er, zumindest in den 1990er-Jahren, der vielleicht am meisten veröffentlichte Sportfotograf in Deutschland gewesen, "obwohl es keiner gemerkt hat". In dieser Zeit widmete er sich im Auftrag des DTB vor allem dem Breiten- und Fitnesssport, war an mehr als 50 Büchern beteiligt und auch für alle Landessportverbände tätig. Wer „eine Oma bei der Gymnastik“ brauchte, sei am ehesten bei ihm fündig geworden.

Ein Auge fürs Turnen

Am glücklichsten ist er noch immer im Spitzensport oder auch bei kleineren Wettkämpfen im Gerätturnen, das er selbst nach der Zwangspause bis über das 30. Lebensjahr hinaus in der Verbandsliga ausübte.

"Beim Turnen muss man sich auskennen, das ist ein bisschen speziell", sagt Minkus. Die Agenturen etwa lieferten manchmal Bilder ab, "die wollen die Turnerinnen und Turner gar nicht sehen, weil die Technik falsch aussieht oder der Ausschnitt sexistisch. Da sind manche schmerzfrei, und alles wird online gestellt."

Er selbst fotografiert am liebsten bei den Männern. "Da gibt es bei sechs Geräten mehr Optionen." Den Sprung der Frauen nimmt er sich in der Regel nur im Finale vor und dann meist in der ersten Phase, rückwärts aufwärts.

"Das ist mein Moment, der Klassiker."

Am Boden lieferten die Damen viele ästhetische, schöne Motive, "Schraubensalti fotografiere ich nicht". Überhaupt sehe die Akrobatik oft "schrecklich" aus, weshalb er sich auf "Ausdrucksbilder" fokussiere. Die gebe es bei den Männern eher nicht, dafür noch vier andere Geräte. "Seitpferd ist immer safe, da funktionieren auf jeden Fall ein paar Bilder." Ebenso bei den Ringen, die aber nur eine sehr begrenzte Zahl an Bewegungsformen lieferten. "Gefühlt mache ich am liebsten Barren, auch wenn die Übungen sich dort immer mehr gleichen." Bei YouTube sehe er sich manchmal Küren aus den 1970er/80er-Jahren an, "da sind manche viel kreativer unterwegs".

Volker Minkus steht vor seinen Akkreditierungen. Foto: Volker Minkus

Immer auf der Sonnenseite

Was Minkus an seiner oft schweißtreibenden Arbeit inmitten der Topathletinnen und Topathleten im Innenraum auch noch gefällt, das ist die "nette" Position, die er innehat. "Schreiber und Leute, die sportpolitisch aktiv sind, müssen Stellung beziehen und Kritik üben", erklärt er. Beim Fotografen gebe es das nicht.

Da stehst du immer auf der Sonnenseite und bist Everybody’s Darling.

AUSGABE         Medien 04-2023 | Einblicke | Das Auge des Turnens
AUTORIN          Katja Sturm