Kindergruppe | Bildquelle: TuS Lachen-Speyerdorf e.V.
Die Familie

Aufeinander zugehen

Gelebte Inklusion im Alltag "Made in Rheinland-Pfalz"

Miteinander statt gegeneinander, trotz Diversität. An dieser Philosophie der gelebten Inklusion im Alltag orientieren sich mehrere Projekte der "Inklusiven Abenteuer- und Erlebnissporttage (IAE)".

Organisiert werden sie seit 2019 von der Abteilung Turnen der TuS Lachen-Speyerdorf, nordwestlich des rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße. Julia Müller ist von Beginn an dabei. Die 21 Jahre alte Studentin der Buchwissenschaften will nun andere Vereine motivieren, sich mit ihrem Team auszutauschen. "Wir würden sehr gerne mit anderen Vereinen und Gruppen zusammenarbeiten. Denn wir wollen natürlich immer schauen, was wir besser machen können. Oder eben auch selbst anderen Tipps geben", sagt Müller.

Mädchen in einer Seilkonstruktion

Doch was bedeutet "IAE" konkret?

Zunächst einmal, dass Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, in einer bewegungsorientierten Umgebung aufeinander zuzugehen. Sie sollen dabei voneinander lernen und Vorurteile abbauen. Den Kindern soll Spaß am Sport und der Bewegung vermittelt werden, über sich hinauszuwachsen und die eigenen Stärken zu nutzen.

Die Teilnehmenden lernen, unterstützt von einer Gruppe, Ängste zu überwinden. Gemeinsam werden Probleme gelöst, Hilfe angeboten und auch angenommen. "Wir haben zum Beispiel immer wieder Kinder mit Höhenangst. Da ist der Teamgedanke ganz wichtig. Die Kinder feuern sich gegenseitig derart an, dass viele auch Dinge schaffen, von denen sie vorher vielleicht nicht geglaubt hätten, dass sie sich die jemals trauen würden", erzählt Müller.

Grundlage dafür ist eine heterogene Zusammensetzung der Gruppen. Die Kinder erleben so eine Alternative zu den meist homogenen Gruppengestaltungen in Sportvereinen, von der sie profitieren können. Sie erhalten den Raum, vorurteilsfrei und unabhängig vom jeweiligen sozialen, religiösen oder gesundheitlichen Hintergrund aufeinander zugehen und voneinander zu lernen. 

Die praktische Umsetzung

In der praktischen Umsetzung liegt der Fokus auf mehreren besonderen
Projekten:

  • Seilkonstruktionen,
  • Stehpaddeln,
  • AirTrack-Turnen und
  • Trampolin-Springen.

Das IAE-Team aus über 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern bringt Vorkenntnisse aus den unterschiedlichsten Bereichen mit:

  • Sonderpädagogik,
  • Betreuung beeinträchtigter Mitmenschen,
  • Sport,
  • Projektmanagement,
  • Marketing und Lehre.

 "Die Grundidee ist, dass jeder Verein damit anfangen kann. Natürlich muss man das nicht mit Seilkonstruktionen und AirTracks tun, sondern sogar besser erst einmal im Kleinen", sagt Müller. Auch ihr Verein hat 2019 einmal klein angefangen, mit dem Programm "Deine Sinne", erinnert sie sich. "Da mussten die Kinder mit verbundenen Augen einen Parkour bewältigen. Man fühlt sich damit auch ein bisschen ein in Menschen, die nicht oder nicht so gut sehen können", ist sie überzeugt.

Das erste große Projekt startete im Jahr 2020:

 "Inklusive Abenteuer- und Erlebnissporttage mit Seilkonstruktionen", bei dem Kinder und Jugendliche die Baumwipfel des Ordenswaldes von oben bestaunen konnten, wurde ein voller Erfolg. Rund 40 Kinder pro Tag konnten hier an zwei Wochenenden eigens für sie aufgebaute Hoch- und Niedrigseilkonstruktionen bespielen. Unter anderem wurden beispielsweise hohe Seilbrücken, Seilrutschen, Seilschaukeln oder das immer beliebte Kistenklettern aufgebaut. "Wir hatten tatsächlich das Gefühl, dass Seilkonstruktionen für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwas komplett Neues sind. Und deswegen auch etwas Besonderes", sagt sie und sieht es daher bis heute als erfolgreichstes Projekt des Vereins an. AirTrack und Trampolin seien da doch viel näher am Turnen, aus dem die meisten Teilnehmenden kämen.

Nur fliegen ist schöner

Im Frühjahr 2021 fand zum ersten Mal das Projekt "Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung turnen gemeinsam auf dem AirTrack" statt. Hier konnten sich die Teilnehmenden aufgrund der Pandemiebeschränkungen sogar ganz alleine auf der neu angeschafften AirTrack austoben. Turnerisch ging es auch im nächsten Projekt weiter:

Im Rahmen von "Nur fliegen ist schöner" konnten sich die Kinder und Jugendlichen auf einem neu angeschafften Großtrampolin bewegen. Zunächst rutschend, kriechend, krabbelnd und schließlich laufend auf dem schwingenden Untergrund.

Zum Schluss konnten alle das Großtrampolin noch auf eine andere Art und Weise kennenlernen: durch basale Wahrnehmung. Das Sprungtuch wird hierbei in leichte Schwingungen versetzt, während die Kinder und Jugendlichen auf dem Rücken liegen und sich ganz auf die Auswirkungen des Schwungs konzentrieren. 

AirTrack Bahn | Bildquelle: TuS Lachen-Speyerdorf e.V.
AirTrack Bahn | Bildquelle: TuS Lachen-Speyerdorf e.V.
Kind hüpft auf dem Trampolin | Bildquelle: TuS Lachen-Speyerdorf e.V.
Kind hüpft auf dem Trampolin | Bildquelle: TuS Lachen-Speyerdorf e.V.
Kind hüpft auf dem Trampolin | Bildquelle: TuS Lachen-Speyerdorf e.V.

Weitere Projekte & Workshops 2021

An zwei Wochenenden im September 2021 fand erstmalig auch das Projekt "IAE: Stehpaddeln" statt. Stehpaddelbretter sind als Möglichkeit, sich über das Wasser zu bewegen, gerade sehr beliebt. Möglichkeiten, diese in einer inklusiven Gruppe zu nutzen und miteinander neue Erfahrungen zu sammeln, sind dagegen leider kaum zu finden.

Die IAE machen genau dies möglich: Auf XXL-Stehpaddelbrettern, die zudem auch rollstuhlgeeignet sind. Auf diesen können sich mehrere Personen gleichzeitig auf einem Stehpaddelbrett aufhalten und zusammenarbeiten. Sorgen müsse sich da niemand machen. "Das schaukelt ein bisschen, aber dass die Kippen ist praktisch unmöglich. Das wird nicht passieren."

Direkt im Anschluss folgt schon das nächste Highlight: Am Wochenende vom 18. bis 19. September 2021 wird in Zusammenarbeit mit vielen anderen Vereinen und Verbänden ein großes Spielfest organisiert.

Groß und Klein sind dann samt Familie dazu eingeladen, mehr über verschiedene Sportarten zu lernen sowie Inklusions- und Integrationsarbeit kennenzulernen.

Um solche Projekte wie das IAE bestmöglich umsetzen zu können, müssen natürlich alle Helferinnen und Helfer gut geschult sein.

Zurzeit werden dafür mehrere interne Weiterbildungsangebote mit eigenen und externen Referentinnen und Referenten angeboten. 

Bei den Workshops Seilparcours Beginner und Fortgeschrittene lernen die Betreuenden alles Wichtige, um bei den Kletter-Projekten sowohl am Boden als auch in der Höhe die Stationen aufbauen zu können. Nach dem Absolvieren des DAV-Kletterschein Toprope sind sie zusätzlich dazu befähigt, die Teilnehmenden in der Höhe zu sichern.

Auch der DTB-Basisschein Trampolin Teil 1 und 2 bietet eine fachgerechte Ausbildung. Bei der Ausbildung zum Jugendprojektleiter oder der Jugendprojektleiterin lernen die Betreuerinnen und Betreuer Jugendgruppen zu leiten sowie Projekte zu organisieren. 

Großprojekt: Inklusive Abenteuer- und Erlebnissporttage

Die "Inklusiven Abenteuer- und Erlebnissporttage" sehen ihre Macher als Großprojekt, welches sich stetig weiterentwickelt. Dazu gehört auch, immer weiter neue Erfahrungen zu sammeln. Insbesondere in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen. 

Kontakt | Neuigkeiten | Instagram

Wer sich nun angesprochen fühlt, kann sich über Neuigkeiten immer aktuell auf der Website des TuS Lachen-Speyerdorf e.V. oder auch über Instagram informieren.

Sehr freuen würde sich das Team um Julia Müller auch über Vereine, die den direkten Kontakt suchen. Einfach per E-Mail oder per
Telefon: 06327 5068951.

AUSGABE   Outdoor 02-2021 | Die Familie | Inklusive Abenteuer- und Erlebnissporttage
AUTOR*IN  Julia Müller und Nils B. Bohl