Hilfeleistung an den Ringen | Bildquelle: Deutsche Turnerjugend
Die Familie

Hilfe ist und bleibt eine Leistung – insbesondere im Kinderturnen!

Hilfeleistung im Gerätturnen

Im Gerätturnen ist Helfen und Sichern vergleichsweise einfach, da trainieren wir mit mehr oder minder vorbereiteten Körpern festgelegte Elemente.

Aber wie kann dieses im Kinderturnen umgesetzt werden, wenn wir es mit der Altersspanne 2 bis 10 Jahre zu tun haben und dem Anspruch, dass Kinder mitmachen, sich bewegen, spielen, erleben, üben und individuell ihr Können ausprägen? Wie können wir hier unterstützen?

Helfen ist klar zweckgerichtet. Es geht im Kontext vom Turnen um

  • Bewegungsführung
  • Kraft ersetzen
  • Schwerpunktnahe Unterstützung
  • Technikvermittlung
  • Risikoverminderung.
     

Im Kinderturnen wollen wir, dass die Kinder Bewegungsaufgaben, die wir ihnen stellen, individuell lösen. Wie soll hier Bewegungsführung oder das Ersetzen von Kraft schwerpunktnah möglich sein, wenn wir gar nicht wissen, wie das Kind mit der Bewegungsaufgabe umgehen wird?

Wenn beim Üben u.a. die Ausprägung von Fertigkeiten im Mittelpunkt steht, dann können wir den Aspekt der Technikvermittlung super gut durch Helfergriffe oder auch durch Geräthilfe unterstützen.

Risikokompetenz, also das Umgehen und Wachsen an möglichst kalkulierbaren Risiken, ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung. 

Wenn ein Ziel der Hilfeleistung ist, Risiken zu vermindern, widerspricht das nicht dem Anspruch des Kinderturnens?

Fragen über Fragen, hier kommen die (möglichen) Antworten.

Bewegungsaufgaben und Gerätelandschaften

Geräteparkour | Bildquelle: Deutsche Turnerjugend
Geräteparkour | Bildquelle: Deutsche Turnerjugend
Geräteparkour | Bildquelle: Deutsche Turnerjugend

Beim Kinderturnen wird die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes in den Mittelpunkt gestellt und Eigentätigkeit gefördert – gern und häufig durch Gerätelandschaften. Klug, d.h. alters- und leistungsangemessen sowie vielfältig konzipiert, lernen die Kinder individuell u.a. einerseits Springen, Klettern, Schwingen und Balancieren, Werfen und Fangen, andererseits wird unmerklich soziales Miteinander von Gleichaltrigen geübt, Spaß erlebt, auch durch Erfolge, das Umgehen mit Niederlagen erfahren, Sprachfähigkeit verbessert – eben Vieles, das über die motorische Grundlagenausbildung hinausgeht.

Was hier nicht geschehen sollte, ist, dass die Übungsleitung (oder auch die Eltern) einzelnen Kindern auf die Geräte heraufhilft, denn das ist gleichbedeutend mit einem nicht angemessenen Aufbau!

Die Gerätelandschaften sind eine Geräthilfe, bei der darauf geachtet werden sollte, dass Geräte sachgerecht aufgebaut sind und auch die richtigen Matten zur Absicherung dort liegen, wo ein Kind herunterspringen oder landen könnte.  
Die Übungsleitung beobachtet ausschließlich die Kinder und gibt ihnen Zeit, sich mit den Geräten auseinanderzusetzen bzw. die Ideen der anderen Kinder zu imitieren. Bewegungsführung findet hier nicht statt.
 

Helfergriffe und Technikvermittlung

Ilona Gerling hat in ihrem Konzept "Kinder helfen Kindern", das sie mit Kindern ab dem Alter von fünf Jahren einsetzt, sehr eindrucksvoll beschrieben, dass, wenn sich Heranwachsende gegenseitig helfen, sie soziales Miteinander lernen, Verantwortungsbewusstsein, aber auch Bewegungssehen und Bewegungsbeurteilung; sie setzen sich kognitiv mit Bewegungsabläufen auseinander und steigern – nicht zuletzt, da sie in Kleingruppen arbeiten können – ihre individuelle Bewegungsintensität. 

Hilfeleistung ist also in sich für alle ein Lernprozess, der anderen im Lernen hilft. Einzigartig!

Eine Vorgabe oder auch eine Empfehlung, welche Art der Hilfeleistung bei welcher Bewegung oder selbst bei welchem turnerischem Element angewandt werden sollte, gibt es – juristisch verlässlich – nicht. Dieses ist nachvollziehbar, denn die Körper, die gehalten werden sollen oder wollen, sind unterschiedlich groß bzw. unterschiedlich schwer, haben aktive Körperspannung, sind bretthart – da total verängstigt – oder auch ungespannt und haben individuelle Hebel.

Eine Art der Hilfeleistung mit den Händen ("taktil") soll hier dennoch vorgestellt werden:

Der Klammergriff

Der Klammergriff wird als Stützhilfe immer dann angewandt, wenn die Kraft des Kindes nicht reicht, um sich mit gestreckten Armen länger abzustützen (Schwingen am Parallelbarren oder Aufhocken z.B. am Sprung) oder als Zughilfe (z.B. beim Handstehen, beim Rollen rückwärts über den hohen Stütz), um die Streckung der Arme zu unterstützen.

Die beiden Hände sind beim Klammergriff vergleichbar mit den beiden Backen einer Klammer. Wie bei einer Klammer, die selbst nasse, schwere Wäsche halten soll, ist auch der Klammergriff so auszuführen, dass der zu haltende Körper nicht durch die beiden Hände rutscht, die (meist) am gleichen Körperteil angesetzt werden. Die Finger werden flach positioniert, so dass die Fingernägel keine Berührung mit der Haut haben. Dennoch können durch Hilfeleistung Blutergüsse entstehen. Falls ein sehr kleiner Oberarm umgriffen werden soll und die Hand (des Erwachsenen) groß ist, ist es z.T. sinnvoll, nur mit einer Hand zu halten, weil ein Versetzen der Hände aufgrund der geringen Länge des Kinder-Oberarms nicht möglich ist.

Wichtig ist, den Griff stets nahe des Körperstamms anzuwenden und in keinem Fall oberhalb und unterhalb eines Gelenks zu halten. Der Grund dafür ist, dass durch die gleichzeitige Druckaufnahme beider Hände ansonsten das Gelenk maximal gebeugt bzw. maximal überstreckt würde. Wo genau nahe bzw. am Körperstamm gehalten werden kann, ist Ermessenssache, bzw. Problem- Lösungsbewusstsein und erneut u.a. von der Körpergröße des/der Aktiven abhängig. Keinesfalls darf in den Schritt gegriffen werden, eine Hilfe am "Po" ist aus biomechanischen Gründen nicht sinnvoll. Die Hände werden erst dann wieder gelöst, wenn das Kind in einer ruhigen Endposition und orientiert ist. 

Stets sollte im Vorhinein überlegt werden, ob eine taktile Hilfeleistung überhaupt notwendig ist.

Einbindung von Kindern

Wenn Kinder frühzeitig in die Hilfeleistung mit eingebunden werden sollen, dann ist vorher abzuschätzen, ob diese bereits so verantwortlich zu handeln wissen, dass sie Hilfeleistung auch umsetzen können. Vorbereitende Übungen oder die Kombination von Geräthilfe und taktiler Hilfe sind sinnvoll, um die Technik gefahrlos zu erlernen und die Kraftleistung zu erleben: Drei Personen ca. gleicher Größe finden sich dazu zusammen, zwei Menschen umgreifen jeweils einen Oberarm des dritten im Klammergriff und heben die mittlere Person an. Die Kinder erleben dabei selbstwirksam, dass, wenn sich die anzuhebende Person anspannt, sich diese viel einfacher hochheben lässt, Körperkontrolle auch der Hilfeleistung also dienlich ist.  

Egal ob Kinder oder Erwachsene Hilfeleistung ausführen, der Selbstschutz ist stets mitzudenken: dazu gehört der sichere Stand bzw. der sichere eigene Bewegungsraum bei der Hilfeleistung sowie die Strategie, dass niemals die Hand oder der Arm zwischen dem/der zu Schulenden und dem Gerät sein sollte. Hilfe ist und bleibt eine Leistung – insbesondere im Kinderturnen!