Nachruf Sportwissenschaftler Dr. Jörg Fetzer

Nachruf

Am Samstag (18.03.23) verstarb mit Dr. Jörg Fetzer einer der versiertesten Sportwissenschaftler und Kampfrichter für das Turnen in Deutschland.

Dr. Jörg Fetzer | Bildquelle: Privat

Der Leipziger erlag nach längerer Krankheit im Alter von 82 Jahren. Wolfgang Willam, ehemaliger Sportdirektor des Deutschen Turner-Bundes, erinnert in einem Nachruf an den Turnexperten, um den die Turnwelt trauert.

"Mitte bis Ende der 60er Jahre studierte Jörg Fetzer Sport an der DHfK (Deutsche Hochschule für Körperkultur) in Leipzig und arbeitete bereits als Sport– und Geschichtslehrer in Pressel und Leipzig. Nach Erlangung des Diploms an der PH Potsdam startete er seine berufliche Karriere am Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (damals Forschungsstelle der DHfK), dem heutigen Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT). Er promovierte mit den Ergebnissen aus der Aufgabenstellung der "Probleme der leistungssportlichen Eignung", nahm schnell führende Positionen ein und wurde nach der politischen Umstrukturierung 1989/90 zum Leiter des Fachbereichs Kraft/Technik am IAT berufen, wo er nach 26 Jahren in den Ruhestand ausschied.

Der turnerisch hoch versierte Jörg Fetzer war seit 1976 in der Sektionsleitung Turnen des SC DHfK und von 1977 bis 1990 gehörte er dem Steueraktiv im Nachwuchsbereich des Deutschen Turnverbandes (DTV) der ehemaligen DDR an.

Mit Beginn des Olympiazyklus 1985/88 erlangte er das internationale Kampfrichter-Brevet und wurde 1991 in das Technische Komitee des Deutschen Turner-Bundes als Beauftragter für Nachwuchs gewählt und in den Lehrausschuss berufen. Seine Expertise und das fundierte Fachwissen wurden sowohl national als auch international sehr wertgeschätzt, sodass er 1991 vom Technischen Komitee der FIG, gemeinsam mit dem Kanadier Hardy Fink, beauftragt wurde, an einer Neufassung der internationalen Wertungsvorschriften (CoP) zu arbeiten. Als international geschätzter Kampfrichter konnte er stolz am Ende seiner Karriere auf fünf Einsätze bei Olympischen Spielen (Moskau, Atlanta, Sydney, Athen, Peking) sowie 16 WM- und ebenso viele EM-Einsätze zurückblicken.

Sein größtes Engagement widmete Jörg Fetzer allerdings der Nachwuchsarbeit der Turner im DTB, um mit einer fundierten Talenterkennung und -entwicklung zu späteren - besseren - internationalen Erfolgen im Juniorenbereich beizutragen. Die Einführung der inhaltlichen Entwicklung der "AK-Programme" (Altersklassen) waren ein wesentlicher Baustein dieser Weiterentwicklung. Unvergessen sind dabei die nahezu zwei Jahrzehnte andauernden Debatten um den Erhalt von "Pflichtübungen" für den Nachwuchsbereich, in denen sich Jörg Fetzer als unerbittlicher Befürworter, fachlich stets gut begründet, durchsetzen und behaupten konnte.

Kein Lehrgang oder Wettkampf der Auswahlmannschaften fand ohne den kreativen Input von Jörg Fetzer statt, die Trainerausbildung bekam einen "neuen Anstrich" mit seinem Anspruch auf „die Entwicklung einer internationalen Spitzenleistung". 1996 fand er mit der Verpflichtung von Andreas Hirsch zum Bundestrainer Nachwuchs offensichtlich den richtigen Partner zur Umsetzung dieser Zielstellung. Bei der JEM 2000 in Bremen errang das DTB-Juniorenteam mit Biewendt, Wackenhut, Erjutin, Niess und Eichhorn sensationell Bronze und Eichhorn wurde Junioren-Europameister am Barren. Deutschland war wieder in den Medaillenrängen, unglaublich! Diese positive Entwicklung setzte sich mit der Verpflichtung von Jens Milbradt Ende 2002 fort (Andreas Hirsch wurde Cheftrainer) und wurde noch getoppt. Bei der JEM 2006 in Volos (GRE) habe ich den eher scheuen und nie im Mittelpunkt stehenden Jörg Fetzer vor Glück weinen sehen! Das DTB-Juniorenteam war mit Finzel, Woitalla, Gladow, Liebrich und Bretschneider Gewinner der Goldmedaille geworden. Gold holte dazu Woitalla noch am Barren und Finzel am Reck. Das war das absolute Highlight, auch für Jörg, es war schließlich sein „erster Sieg“ gegen Russland in zwei Systemen (DDR + BRD).

Nach weiteren erfolgreichen Jahren, in denen die Entwicklung eines DTB-Nachwuchsleistungssportkonzeptes innovativ und herausragend unter seiner Federführung entstand, verabschiedete er sich 2012 sowohl im Technischen Komittee, als auch im Lenkungsstab und blieb uns mit seiner Expertise stets verbunden.

Mitte März, wenige Tage nach seinem 82. Geburtstag, erhielten wir die traurige Nachricht von Jörg, der nach langer schwerer Krankheit in seiner Heimatstadt Leipzig gestorben ist.
Der DTB, sowie auch zahlreiche Mitstreiter, werden diesen besonderen Menschen in wertschätzender Erinnerung behalten!"

Autor: Wolfgang Willam