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Vom Talent auf der Fläche zum ...

Trainertalent am Mattenrand

Camilla Pfeffer hat eine klare Philosophie: Talent allein reicht nicht – weder bei den Athletinnen noch bei den Trainerinnen. Als Bundestrainerin für die DTB-Gruppe in der Rhythmischen Sportgymnastik weiß sie aus eigener Erfahrung, was es braucht, um an die Weltspitze zu gelangen. Und vor allem: wie viel Geduld es erfordert, junge Talente zu formen. "Man braucht sehr viel Ausdauer und Durchhaltevermögen. Manche Dinge muss man 50-mal ansprechen und darf dabei nicht die Ruhe verlieren", beschreibt die Absolventin der Trainerakademie Köln des DOSB e.V. eine ihrer wichtigsten Kernkompetenzen.

Diese Geduld lebt sie nicht nur im täglichen Training vor, sondern vermittelt sie auch an ihre Athletinnen. Gerade in einer Sportart, in der ambitionierte Turnerinnen schnelle Fortschritte erwarten, ist es essenziell, auch die eigenen Erwartungen mit Ausdauer und Gelassenheit zu steuern. "Fortschritte kommen nicht über Nacht – wer langfristig erfolgreich sein will, muss lernen, Rückschläge zu akzeptieren und dranzubleiben", betont Pfeffer.

Von der Turnfläche an die Seitenlinie – eine zweite Karriere mit Tempo

Dass sie einmal als Trainerin an der Spitze stehen würde, war nicht immer ihr Plan. "Der Beruf, den ich jetzt ausübe, stand auf meiner persönlichen Liste nicht immer ganz oben", gibt die 32-Jährige zu. Und doch zeigte sich früh ihr Potenzial als Trainerin. Während ihrer aktiven Laufbahn, in der sie als EM-Vierte 2010 und Olympia-Zehnte 2012 für Deutschland antrat, wurde sie von DTB-Verantwortlichen bereits als zukünftiges Trainerinnen-Talent erkannt – ohne es selbst zu bemerken.

Nach einer kurzen Pause vom Leistungssport stieg Pfeffer 2013 als Nachwuchstrainerin und Mini-Jobberin wieder ein. Doch schnell zeigte sich: Sie war nicht nur eine talentierte Athletin, sondern auch eine talentierte Trainerin. Dass sie selbst auf Wettkampfniveau aktiv war, ist für sie dabei ein Vorteil, aber keine zwingende Voraussetzung:

"Es kann sehr helfen, selbst auf Wettkampfniveau aktiv gewesen zu sein.
Ein Top-Top-Level erreicht haben muss man aber nicht."

Camilla Pfeffer (3.v.r.) bei einer Autogrammstunde

Der nächste Schritt: Ausbildung an der Trainerakademie Köln

Mit ihrer Leidenschaft für den Sport und ihrem wachsenden Interesse an der Trainerrolle entschied sich Pfeffer, ihre Qualifikationen gezielt weiterzuentwickeln. Der nächste logische Schritt war die Trainerakademie Köln des DOSB e.V., eine der renommiertesten Ausbildungsstätten für Trainer*innen im Spitzensport in Deutschland.

Dort vertiefte sie nicht nur ihr Fachwissen in Trainingswissenschaft, Methodik und Sportpsychologie, sondern lernte auch, individuelle Entwicklungsprozesse bei Athletinnen gezielt zu begleiten. Besonders wertvoll für ihre Arbeit war der interdisziplinäre Austausch mit anderen Trainerinnen und Trainern aus verschiedenen Sportarten. "Es hat mir enorm geholfen, das große Ganze im Leistungssport zu verstehen und zu erkennen, wie wichtig langfristige Planung, individuelle Betreuung und strategische Steuerung des Trainings sind", berichtet Pfeffer.

Diese Ausbildung legte den Grundstein für ihren weiteren Weg und verschaffte ihr nicht nur das fachliche, sondern auch das pädagogische Rüstzeug, um Athletinnen gezielt auf ihrem Weg zur Weltspitze zu begleiten.

Die richtige Altersklasse finden – und sich entfalten

Ein wichtiger Meilenstein ihrer Trainerkarriere war die Erkenntnis, in welchem Bereich sie sich am wohlsten fühlt: "Ich habe in den ersten Jahren auch gern das Grundlagentraining geleitet. Aber mit den älteren Gymnastinnen zu arbeiten, liegt mir ein bisschen mehr." Diese Einsicht ist für Trainer*innen essenziell – denn nur wer in der passenden Alters- und Leistungsklasse arbeitet, kann seine Stärken voll entfalten.

Doch Pfeffer weiß auch: Erfolg im Leistungssport ist Teamarbeit.

Sie ist darauf angewiesen, dass ihre Trainerkolleginnen in den regionalen Stützpunkten Talente frühzeitig entdecken und gezielt fördern. Denn trotz wachsender Begeisterung für die Rhythmische Sportgymnastik gibt es in manchen Regionen Deutschlands noch immer weiße Flecken auf der Landkarte. "Dass da auch mal eine junge vielversprechende Athletin mit guten Perspektiven unentdeckt bleibt, kann man leider nicht vollständig ausschließen", gibt sie zu.

Doch dank der jüngsten Erfolge von Darja Varfolomeev ist das Interesse an der RSG so groß wie lange nicht mehr. Die Jahrgänge 2008 und 2009 zeigen vielversprechende Ansätze – und mit Camilla Pfeffer und ihrem Trainerteam wird intensiv daran gearbeitet, dieses Potenzial weiterzuentwickeln.
 

Ein Blick in die Zukunft – auf Kurs Richtung Weltklasse

Dass die deutsche Einzel-Gymnastik weiter auf Erfolgskurs bleibt, daran hat Pfeffer keinen Zweifel. Mit Darja Varfolomeev und Margarita Kolosov, der Olympia-Vierten, ist Deutschland in der Weltspitze vertreten. Nach den beeindruckenden Leistungen der vergangenen Jahre ist das Team bestens aufgestellt, um auch in Zukunft auf höchstem Niveau mitzuspielen.

"Einen solchen Rückfall wie 2021 in Tokio werden wir nicht erleben", sagt Pfeffer bestimmt. Nicht bei den Weltmeisterschaften 2026 in der Frankfurter Festhalle (12. bis 16. August) und auch nicht bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles. Dafür werden sie und ihr Trainerteam sorgen – mit Geduld, Leidenschaft und einer klaren Vision für die Zukunft.

AUSGABE        Bildung 02-2025 | Turn-Team Deutschland | Trainertalent am Mattenrand
AUTOR             Andreas Frank