Turn-Team Deutschland

Ein Win-Win-Modell für den Sprung zum Diplom-Trainer

Mentoring: Gemeinsam wachsen

Als Bundeskader-Trampolinturner wurde Rick Nadler von Michael Kuhn betreut. Heute ist der frühere Bundestrainer sein Mentor in seiner Ausbildung an der Trainerakademie Köln des DOSB – und im sportlichen Alltag.

Drei Phasen, zwei Männer

Trainer und Turner, Coach und Co-Trainer, Mentor und Mentee. Drei Phasen, zwei Männer – und eine nahezu perfekte Geschichte, wie sich gemeinsame Wege und gegenseitiges Vertrauen zur Win-Win-Situation des Leistungssports entwickeln können. Hier Michael Kuhn, dort Rick Nadler. Hier der wohl erfolgreichste deutsche Trampolintrainer, der schon Athleten bis Olympia-Gold führte. Dort ein früherer Bundeskaderathlet, den die Suche nach seiner beruflichen Zukunft zurück in seinen Sport führt.

Und in eine Ausbildung mit dem wichtigen Baustein: Mentoring. Im Wortsinn: "Eine hierarchisch unabhängige Beziehung einer erfahreneren Person (Mentor) mit einer weniger erfahrenen Person (Mentee)." Übersetzt in die sportliche Praxis: "Mitch und ich haben viel Wertschätzung, Vertrauen und ganz viel Offenheit in der Kommunikation. Immer wenn ich Rat brauche, kann ich zu ihm kommen." Das sagt Rick Nadler über Michael Kuhn, der wiederum schwärmt: "Als Rick das erste Gespräch mit mir suchte, um Möglichkeiten einer Trainerlaufbahn auszuloten, war mir recht schnell klar, dass er für unser Trainerteam in Stuttgart eine Bereicherung sein könnte."

Woran natürlich keiner von beiden dachte, als sich ihre Wege erstmals kreuzten. Der von allen meist Mitch genannte Kuhn hatte sich vom F-Jugend-Kicker beim FC Mögglingen erst zum international erfolgreichen Trampolinturner (u. a. World-Games-Sieger, Vize-Weltmeister, Mannschafts-Weltmeister, fünffacher Deutscher Meister) entwickelt, bevor er schwäbischer Landes- und schließlich Bundestrainer wurde, dessen Athleten Gold und Bronze bei Olympia, vier WM-Titel und 35 weitere Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften gewannen.

In dieser Zeit turnte sich auch Rick Nadler in den Bundeskader, kam von München an den Leistungsstützpunkt Stuttgart, brachte es bis zum deutschen Meistertitel und zur WM-Teilnahme.

„Ich habe, wie oft typisch auf dem Land, eine sehr breite und vielseitige Grundlage durch Vereins- und Abteilungsmitgliedschaften genossen, die weit über Fußball hinausgingen: vom Kinderturnen zum wettkampfmäßigen Gerätturnen, vom Handball zum Fußball (bis zur D-Jugend) bis hin zum Skifahren inklusive Rennen und später noch zum Tennis – und parallel dazu noch im Musikverein. Von dieser Vielseitigkeit habe ich im Trampolinturnen, zu dem ich mit knapp 13 Jahren recht spät kam, immer profitiert und halte diese Bewegungsvariabilität auch heute für enorm wichtig. Leider ist das bei immer weniger Kindern der Fall", statuiert Mitch Kuhn.

Und genau hier setzt Rick Nadler heute als Trainer an: Er versucht vor allem über das Bewegungsgefühl, den Kindern Sprünge und Bewegungen zu vermitteln – mit viel Geduld, technischer Präzision und dem festen Glauben daran, dass eine breite sportliche Basis der Schlüssel für langfristigen Erfolg im Trampolinturnen ist.

Wovon werde ich leben?

Aber Trampolinturnen ist eben eine jener Sportarten, in der sich bei aller Klasse irgendwann die Frage stellt: Wovon werde ich leben?

Rick Nadler entschied sich für ein BWL-Studium, fand nach dem Abschluss auch einen Job – aber nicht sein Glück. "Ich habe dann überlegt und mich gefragt: Was erfüllt mich?"

Antwort: der Sport.

So kehrte er nach sechs Jahren zurück zum Trampolinturnen – und zu Mitch Kuhn, der letztlich als Mentor agierte, bevor das Mentoring fester Bestandteil von Nadlers zweiter Ausbildung war.

"Ich wurde mit offenen Armen aufgenommen und unterstützt auf dem Weg als Trainer", erinnert sich Nadler, der seit Oktober 2023 an der Trainerakademie studiert.

Trainerakademie Köln des DOSB e.V.

Unabhängig davon, dass ein ihm gut bekannter Athlet Rat suchte, beschäftigt das Thema Personalentwicklung und Personalsuche im Trainerbereich Michael Kuhn schon lange. "Das Berufsbild Trainer hat nicht erst seit den Diskussionen um ‚Leistung mit Respekt‘ in der Gesellschaft einen schlechten Stand oder im besten Fall nicht-existenten Ruf", erklärt der heute 60-Jährige, der 1992 als frisch diplomierter Sportlehrer zu seiner ersten Trainerstelle fand und beim MTV Stuttgart seine spätere Frau Stefanie und Markus Kukral als seine Mentoren fand. Das seitdem gereifte persönliche Credo beschreibt Kuhn so: "Ich muss selbst das möglichst beste Beispiel abgeben, um Leute zu diesem Beruf zu bringen. Mein eigenes Engagement, meine meist positive Einstellung zum Athleten und dem, was er macht, muss vorbildlich sein."

Rick Nadler kann nur bestätigen, dass sein Mentor hier nicht nur von der Theorie spricht. Neben Rationalität, Freundlichkeit und Gelassenheit nennt er die „Offenheit gegenüber Neuem“ als Qualität seines Mentors. „Viele andere Trainer denken in einem gewissen Alter, sie haben das höchste Stadium erreicht und lassen sich nichts mehr sagen. Ich bin ein neuer junger Trainer und Mitch begegnet mir immer auf Augenhöhe. Das macht viel aus.“ Die von Nadler ebenfalls geschätzte Selbständigkeit und Verantwortung sieht Kuhn wiederum als Chance zur eigenen Weiterentwicklung auch im reifen Alter: „Ich lasse Rick viel selbst machen und hole mir andererseits Rat bei ihm, wenn ich bei bestimmten Athleten selbst nicht weiterkomme und einen anderen Ansatz brauche.“

So war Rick Nadler auch schon als Betreuer von Top-Turnerinnen und -Turnern wie Leonie Adam und Matthias Pfleiderer im Einsatz, mit denen er einst selbst noch im Kader und sogar zum Meistertitel turnte.

Viel mehr Bedeutung hat für ihn aber die Arbeit mit jungen Turnern des MTV Stuttgart oder TB Ruit, die noch einen weiten Weg vor sich haben. Wie einst er selbst, der in seiner Trainer-Ausbildung auch den großen Nutzen sieht, noch einmal die eigene aktive Zeit zu reflektieren. Von den Erkenntnissen, was gut oder weniger gut lief, können wiederum seine eigenen Schützlinge profitieren.

Die praktische Arbeit erfolgt derzeit unter verschärften Bedingungen. Nicht nur wegen der Aufarbeitung der Missbrauchs-Vorwürfe im Gerätturnen, die Auswirkungen auf den ganzen Leistungsstützpunkt in Stuttgart hat. Auch der immer wieder verzögerte Neubau der Trampolinhalle erschwert das Training, das Rick Nadler derzeit an drei verschiedenen Standorten gibt. Ein Härtetest in Sachen Organisation, die ein ebenso wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist wie der Sport selbst. "Man muss diesen administrativen Teil nicht lieben, aber er gehört dazu und man muss das auch annehmen", sagt Mitch Kuhn, der aus seinen 32 Jahren Erfahrung als verantwortlicher Trainer gerne so viel wie möglich weitergibt in Sachen "Organisation, Verwaltung, Effektivität und anderen Rahmenbedingungen". Was Rick Nadler mindestens so schätzt wie die sportliche Expertise: "Denn man merkt ja erst als Trainer, was alles dazu gehört, kriegt viel mehr Einblick in Vereins- und Verbandsstrukturen. Das wird als Athlet ja von einem ferngehalten."

Noch ein weiter Weg

Es ist noch ein weiter Weg bis zum Trainer-Diplom, das er im Sommer 2026 ablegen und im Idealfall irgendwann in die großen Fußstapfen seines Mentors treten will.

Ein hohes, aber auch erstrebenswertes Ziel.

Aber erst einmal sagt Rick Nadler über Mitch Kuhn:

Ich hoffe, dass er uns noch lange erhalten bleibt.

Als Trainer, als Mentor, als Vertrauter.

AUSGABE        Bildung 02-2025 | Turn-Team Deutschland | Mentoring
AUTOR             Udo Döring