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DTB - SPROSSENWAND
Wenn Marlene Kriebel in die Turnhalle tritt, ist sie nicht nur Sportlerin, sondern auch Trainerin und Mentorin. Die 26-Jährige hat in ihrer Karriere 35 Medaillen auf bundesweiter Ebene gewonnen, doch ihr eigentliches Anliegen geht weit über sportliche Erfolge hinaus. Beim TV Dahn engagiert sie sich für ein Thema, das oft im Verborgenen bleibt: das Selbstwertgefühl und Körperbild junger Sportlerinnen und Sportler.
Ein Workshop, der den Blick verändert
Im Februar des vergangenen Jahres testete der TV Dahn das neue Praxis-Toolkit "Selbstvertrauen im Sport" des DTB und dem Dove Projekt für mehr Selbstwertgefühl. Grundlage ist das globale dreiteilige Theorie-Toolkit BodyConfidentSport, das von Dove und Nike in Kooperation mit dem Tucker Center for Research in den USA entwickelt wurde. "Uns wurde schnell klar, dass das eigentliche Thema viel weitreichender ist: Wie erleben junge Athletinnen ihren Körper? Wie beeinflusst ihr Selbstbild ihre Leistung – und wie können Trainerinnen und Trainer helfen, Unsicherheiten abzubauen?
Der Workshop basierte auf Erkenntnissen einer internationalen Studie: Etwa 45 Prozent der Mädchen im Teenageralter hören mit dem Sport auf, weil sie sich unwohl fühlen – sei es aufgrund der Kleidung, gesellschaftlicher Ideale oder sozialer Vergleiche (Studie von Dove & Nike, 2023). Diese Zahlen sind alarmierend. Der DTB wählte für die Premiere des neu entwickelten Praxistoolkits den TV Dahn als Pilotverein.
"In den USA wurde ein theoriebezogenes Programm entwickelt, das jedoch nicht optimal an die Strukturen unserer Vereine angepasst ist", erklärt Kriebel. "Deshalb wurde vom DTB in Zusammenarbeit mit der Sportpädagogin Larissa Huonker und gemeinsam mit dem Dove Projekt für mehr Selbstwertgefühl ein praxisnahes Konzept entwickelt, das direkt in der Turnhalle angewendet werden kann." Der Verein wurde zum Pilotprojekt, und die Ergebnisse waren beeindruckend.
Ein zentrales Element des Workshops war, zunächst bei den Mädchen die Erkenntnis zu fördern, dass sie mit ihren Unsicherheiten nicht allein sind. In einer Übung liefen sie paarweise durch die Halle und machten sich gegenseitig Komplimente – nicht nur für ihre sportliche Leistung, sondern auch für persönliche Eigenschaften. Eine andere Übung beschäftigte sich mit "Body Talk" – der Sprache, die wir für unseren Körper und den anderer nutzen.
"Wir haben verdeutlicht, dass Schwitzen oder ein rotes Gesicht beim Sport ganz natürlich sind und nichts, wofür man sich schämen muss", erzählt Kriebel.
Diese Art der Reflexion war für viele eine neue Erfahrung.
"Manche Gymnastinnen waren anfangs zurückhaltend, aber durch die Aufwärmübungen wurde das Eis gebrochen. Am Ende waren alle begeistert", sagt Kriebel.
Die Evaluationsbögen bestätigten den Erfolg: Nach dem Workshop fühlten sich die Teilnehmerinnen wohler und selbstsicherer.
Marlene Kriebel selbst hat durch den Workshop viel gelernt – nicht nur als Sportlerin, sondern vor allem als Trainerin.
"Es war beeindruckend zu sehen, wie sehr unsere Worte die Wahrnehmung der Athleten beeinflussen. Oft bekommen wir gar nicht mit, welche Gedanken sie beschäftigen."
Deshalb ist die kontinuierliche Weiterbildung von Trainerinnen und Trainern essenziell. Neben dem Basiskurs Safe Sport gibt es inzwischen spezialisierte Fortbildungen wie "Positives Körperbild und Selbstwertgefühl im und durch Sport", im Rahmen dessen man das Praxis-Toolkit "Selbstvertrauen im Sport" erhält, mit tollen Übungen für die Sporthalle.
In diesen Einheiten geht es unter anderem darum, wie Trainer*innen einen Raum schaffen können, in dem sich alle Athletinnen und Athleten sicher und wertgeschätzt fühlen. Auch digitale Angebote wie der Moodle-Kurs „Positives Körperbild und Selbstwertgefühl im Sport“ sind mittlerweile Teil der Grundausbildung für Trainer*innen, um von Beginn an ein Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen.
"Es ist wichtig, dass Trainer sich ihrer Verantwortung bewusst sind", betont Kriebel. "Wir haben einen enormen Einfluss darauf, wie sich junge Sportler in ihrem Körper fühlen. Wenn wir nicht nur Leistung fordern, sondern auch darauf achten, dass sich alle wohlfühlen, dann können wir langfristig etwas verändern."
Das Pilotprojekt beim TV Dahn hat gezeigt, dass kleine Maßnahmen große Wirkung haben können. "Wir versuchen, die gelernten Methoden in unser tägliches Training zu integrieren", sagt Kriebel. Das bedeutet auch, gezielt darauf zu achten, welche Botschaften vermittelt werden. Kommentare über das Gewicht oder das äußere Erscheinungsbild sind tabu, stattdessen wird der Fokus auf Leistung, Technik und persönliche Stärken gelegt.
Auch wenn es im Verein kein offensichtliches Problem gibt, solche Workshops schaden nie. Im Gegenteil – sie können das Selbstbewusstsein und das Gemeinschaftsgefühl nachhaltig stärken.
Langfristig geht es nicht nur um Einzelmaßnahmen, sondern um einen Kulturwandel im Sport. Safe Sport und die Förderung eines positiven Körperbilds sollen nicht als Zusatzthemen betrachtet werden, sondern als grundlegender fester Bestandteil der Trainerarbeit.
"Wir sind auf einem guten Weg", sagt Kriebel. "Aber es bleibt noch viel zu tun." Dass der TV Dahn als Vorreiter in diesem Bereich gilt, erfüllt sie mit Stolz. Ihr Wunsch: Dass möglichst viele Vereine diesem Beispiel folgen und sich aktiv für ein gesundes und wertschätzendes Sportumfeld einsetzen. Denn am Ende zählt nicht nur, wer die meisten Medaillen gewinnt – sondern wer sich langfristig wohlfühlt, um mit Freude und Selbstvertrauen seinen Sport auszuüben.
"Positives Körperbild und Selbstwertgefühl im und durch Sport"
Termin: 29.05.2025
Uhrzeit: 09:30-10:45 Uhr
Ort: Leipziger Messe
Referentin: Katharina Bürcky
Weitere Informationen, Material und weiterführende Links zu unseren Fortbildungen Safe Sport findet ihr auf unserer Website Safe Sport/Fortbildung.
Seit über 20 Jahren setzt sich das Dove Projekt für mehr Selbstwertgefühl dafür ein, das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen zu stärken, damit sie ihr authentisches Selbst entdecken und entfalten können.
Eine Zusammenarbeit von Dove und dem Deutschen Turner-Bund
Im Rahmen der Partnerschaft mit dem Deutschen Turner-Bund für ein positives Körperbild im Sport, ist eine Erweiterung des globalen Toolkits Selbstvertrauen im Sport mit praktischen Übungen entstanden. Es soll Trainer*innen dabei unterstützen, eine Umgebung zu schaffen, in der junge Sportler*innen nicht nur ihre körperlichen Fähigkeiten entwickeln, sondern auch ein gesundes Selbstwertgefühl und eine positive Körperwahrnehmung aufbauen können.
Akzeptanz und Wertschätzung
Der Druck auf Sportler*innen, bestimmten Körperstandards und Idealbildern zu entsprechen, ist groß. Deshalb ist es entscheidend, dass Trainer*innen eine Atmosphäre der Akzeptanz und Wertschätzung schaffen. Der Fokus liegt dabei auf der Frage: "Was schafft mein Körper?" anstelle von "Wie sieht mein Körper aus?".
Dies führt zu einem besseren Körpergefühl, einer höheren Konzentration und mehr Erfolg im Sport.
In unserer kostenfreien Fortbildung am 6. Juni 2025 in Frankfurt erhältst du praxisnahe Methoden und Übungen, um junge Sportler*innen zu stärken. Gemeinsam mit dem Dove Projekt zeigen wir, wie du Body Shaming im Verein entgegenwirken und ein positives Körperbild fördern kannst.
Wann?
Sonntag, 6. Juli 2025 / 11:00 bis 16:00 Uhr
Wo?
DTB-Sporthalle, Otto-Fleck-Schneise 8, Frankfurt/Main
Für wen?
Übungsleiter*innen aller Sportarten
Was gibt’s?
7 Lerneinheiten (LE) zur Lizenzverlängerung – kostenlos!
Jetzt kostenlos anmelden: GYMNET-Anmeldung
Weitere Infos unter: www.dtb.de/safe-sport/fortbildung
AUSGABE Bildung 02-2025 | Mehr Sport | Mehr als nur Medaillen
AUTOR Nils B. Bohl