Bewegungspfad Jugenheim | Foto: DICKITAL_
Fit & Gesund

Jugenheims Bewegungspfad soll (nicht nur) ältere Menschen motivieren

Ein Bürgermeister bewegt seine Gemeinde

Die Morgensonne taucht die barocke Fassade der alten Kirche St. Martin im rheinhessischen Jugenheim in ein warmes, goldenes Licht. Auf dem kleinen Platz vor dem Portal sammeln sich nach und nach fitnessorientierte, ältere Menschen. Ihr Ziel: Sie wollen den "Bewegungspfad" der Gemeinde bestreiten. Ein Projekt, für das sich der langjährige Ortsbürgermeister Herbert Petri stark engagiert hat.

Denn Fitness spielte im Leben von Petri schon in jungen Jahren eine große Rolle. Er trainierte eine Zehnkampftruppe, die es immerhin zu einem deutschen Meistertitel und mehreren Rheinland-Pfalz-Meistern brachte.

"Für eine so kleine Gemeinde ist das ganz passabel", findet er noch heute.

"Eines meiner Standbeine und auch meine große Leidenschaft war schon immer der Sport", erzählt er. Acht Jahre lang sei er Vorsitzender des TuS Jugenheim gewesen. Irgendwann in dieser Zeit habe ihn seine Stellvertreterin Andrea Walther auf das Projekt "AuF leben – AKTIV und FIT im Alter" hingewiesen. "Ich brauche da die Gemeinde als Kooperationspartner. Ich habe auch alles schon fertig. Du musst nur noch unterschreiben", habe die ihm gesagt.

Das Projekt AuF leben

Der Deutsche Turner-Bund setzt das Projekt "Im Alter AKTIV und FIT leben (AuF leben) – Gesundheitsförderung in der Lebenswelt Kommune" seit 2022 mit sieben seiner Landesturnverbände an über 45 Standorten erfolgreich um. Die Förderung erfolgt mit Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des GKV-Bündnisses für Gesundheit (www.gkv-buendnis.de).

Sie fand damit spontan Petris Zustimmung. "Ich halte so etwas auch wichtig für die Zukunft", betont er. Zumal auch kleine Gemeinden mittlerweile viele Alleinstehende hätten. Und die lebten oft alleine und seien daher froh, wenn sie attraktive Angebote bekämen. "Früher war das auf dem Land nicht so", sagt er. Die Gemeinden müssten dem nun mit solchen Angeboten Rechnung tragen, wollten sie ihre Attraktivität behalten.

Durch idyllische Weinberge

Die friedliche Stille des Morgens wird nun durch das fröhliche Murmeln der Gruppe und das entfernte Zwitschern der Vögel durchbrochen. Der Duft von reifenden Trauben und frischem Laub liegt in der Luft und verspricht einen genussvollen Weg durch die idyllischen Weinberge. Petris Bewegungspfad beginnt direkt hinter der Kirche und führt durch malerische Landschaften, die das Herz jedes Naturliebhabers höherschlagen lassen. Immer wieder laden Schilder zu kurzen Bewegungsübungen ein: Dehnen, Balancieren und Kräftigungsübungen, die für die Fitness und das Wohlbefinden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sorgen sollen.

Die Idee

Die Idee des Bewegungspfads sei in der Coronazeit entstanden. "Weil wir festgestellt haben, dass viele Leute durch unsere Gemarkungen wandern. Da haben wir uns gesagt, eigentlich wäre es doch ganz attraktiv, wenn wir uns dem Thema Nordic Walking nochmal nähern und da entsprechende Kurse anbieten", erklärt der Bürgermeister, der sein Amt im vergangenen Herbst nach 25 Jahren an den Nagel hängte. Dem Bewegungspfad fühlt er sich aber weiter verbunden

"Wir hatten auch die Idee, einen Parcours auszuweisen. Und achten auch immer darauf, dass wir feste Trainingsangebote anbieten können."

Regelmäßigkeit und die Prominenz

Gerade die Regelmäßigkeit und die Verlässlichkeit solcher Angebote sind offenbar wichtig für deren Akzeptanz. Das begriffen auch die Verantwortlichen in Jugenheim recht schnell. Als kleinen Anreiz überlegten sie sich, auch die Ortsprominenz an den Start zu bringen. "Wenn zum Beispiel der Bürgermeister mal vorangeht oder die Vereinsvorsitzende, dann ist das für den Bürger ja eine Chance in lockerer Atmosphäre in Kontakt zu kommen. Wir hatten damals auch das Gefühl, wenn so jemand sich ankündigt und die Leute wissen das, dann gehen sie als Geneigte vielleicht eher dahin, um teilzunehmen", erinnert er sich.

Die Gruppe macht sich derweil bereit für ihren Ausflug in die Weinberge von Jugenheim. Vor seinem inneren Auge kann Petri bereits die neue unterirdische Toilettenanlage neben den Parklätzen sehen. "Sie bietet den Spaziergängern den nötigen Komfort vor dem Start ihrer sportlichen Unternehmung", ist er überzeugt. Über zehn Jahre hatte er gegrübelt, wie sich diese samt den dazugehörigen Parkplätzen umsetzen ließe. Am Ende hofft er nun, wird sich seine Hartnäckigkeit im Sinne der Allgemeinheit bezahlt machen. Denn nicht nur für den Bewegungspfad hielt er diese für enorm wichtig. "Wir haben ja schließlich da auch eine tolle Barockkirche, die ist einzigartig in Rheinhessen", sagt er. Bei einem so alten Gebäude, das zunehmend auch für Konzerte und andere Veranstaltungen benutzt werde, sei so etwas imminent wichtig."

Der neue i-Punkt 

Irgendwann war Petri durch andere Projekte auf ein EU-Projekt namens LEADER gestoßen. Das ermöglichte es zwar nicht, Förderanträge für Park- und Toilettenanlagen zu stellen. Wenn man diese aber in einen größeren Kontext setzte, dachte sich Petri, würde doch damit das erforderliche "Begegnungspotenzial und das touristische Potenzial der Gemeinde aufgewertet" – und somit eine Förderung möglich.

"Zum Glück konnten wir das Grundstück neben der Kirche kaufen. So können wir nun unter dem Arbeitstitel ‚Neuer Informationspunkt für Jugendheim‘ all die Dingen kaufen, die wir brauchen. Auch unsere Toilettenanlage, die Parkplätze, einen Standplatz für Wohnmobile und eine Ladestation für E-Bikes", zählt er auf. Der geniale Nebeneffekt: die gesamte Infrastruktur lässt sich nun auch für den Bewegungspfad nutzen.

"Und daher soll genau dieser neue i-Punkt natürlich auch der Startpunkt unseres Bewegungspfades werden. Ein toller Platz als Ausgangspunkt für Bewegungsangebote, direkt an unserem Weinberggelände gelegen", freut sich Petri noch heute über den gelungenen Schachzug.

Die neue Strecke inklusive Bewegungsangebote

Einmal angeschoben, nahm nun auch das Projekt Bewegungspfad immer weiter Fahrt auf. "Wir haben dann gesagt, lass uns dort ein Schild hinmachen und uns eine Route ausarbeiten. Meine Gemeindesekretärin Margaret Maslowski bot sich sofort an, eine entsprechende Strecke auszugucken. Und irgendwann kam sie dann und sagte, ich habe jetzt was Schönes. Das zeichnen wir jetzt mal ein und lassen es die Leute mal ausprobieren", erinnert sich der Bürgermeister.

Und tatsächlich fand die neue Strecke viel Zuspruch. Mit Unterstützung des Rheinhessischen Turnerbundes konnten entlang des Tracks durch die Natur noch weitere Informationstafeln installiert werden.

"Damit alles, was uns wichtig war, auch auf den Tafeln gezeigt wird. Sowohl die Streckenführung als auch Bewegungsangebote an ausgewählten Stellen", betont Petri. Am Anfang könne man sich dehnen. Zwischendurch solle man kurz innehalten, könne Bewegungen machen.

"Wohlgemerkt ich kann. Ich muss das aber nicht tun", unterstreicht er den Empfehlungscharakter entlang des Pfads.

Schließlich stehe der Spaß an der Bewegung und das intensive Erleben im Vordergrund. Und so sei dann letztendlich der Bewegungspfad zum Leben erweckt worden.

Das Klackern der Walkingstöcke

Die Gruppe bewegt sich nun mit strammem Schritt durch saftig grüne Weinberge. Vorbei an kleinen Hainen und Feldern, die im Licht des Vormittags in kräftigen Farben leuchten. Der Blick über die Rebstöcke hinweg eröffnet eine beeindruckende Aussicht auf die sanften Hügel, die sich in der Ferne verlieren, und hinunter ins Tal, wo die Dächer von Jugenheim wie kleine Farbtupfer in der Landschaft erscheinen. Begleitet von freundlichen Gesprächen und dem monotonen Klackern der Walkingstöcke, wird die harmonische Verbindung von Bewegung und Naturerlebnis spürbar.

Spazieren gehen, Hunde führen, joggen, Nordic walken, Fahrrad fahren – alles ist möglich

Bei den Menschen ist Petris Pfad offenbar sehr gut angekommen. Doch was ist der Mehrwert für seine Gemeinde?

"Einmal dieses Bewegungsangebot selbst natürlich. Zu zeigen, dass es außer darauf spazieren zu gehen noch weitere Möglichkeiten gibt, diesen Pfad zu nutzen. Ich kann den Weg als Hundeführer und Hundeführerin, als Jogger und Joggerin, ich kann ihn mit Nordic-Walking-Stöcken nutzen. Oder ich kann den Weg einfach nur entlanglaufen. Oder aber ihn mit dem Fahrrad abfahren. Oder mir ein ganz eigenes Angebot ausdenken", zählt Petri auf.

Das Zweite sei, dass die Gemeinde durch das, was sie tut, auch ein Signal an die Bürger sende: "Dass es im Alter für die Gesundheit schon bedeutsam ist, wenn man sich mehr bewegt. Und das Dritte ist natürlich die Außenwirkung", sagt Petri und schmunzelt:

"Ich habe gehört, andere rheinhessische Gemeinden haben sich dem Projekt auch schon angeschlossen."

Bei der Gruppe ist nach der Bewegung mittlerweile tiefe Entspannung eingetreten. Hier, zwischen den Reben und den historischen Mauern der Barockkirche von 1775, scheint nach der Rückkehr die Zeit stillzustehen, der Alltag in weite Ferne zu rücken. Die Weinberge von Jugenheim haben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht nur ein visuelles und olfaktorisches Fest geboten, sondern auch eine wunderbare Möglichkeit, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Die Signale ihres fitnessbegeisterten ehemaligen Bürgermeisters scheinen in jedem Fall angekommen und für gut befunden worden zu sein.

AUSGABE        Prävention 04-2024 | Fit & Gesund | Ein Bürgermeister bewegt seine Gemeinde
AUTOR             Nils B. Bohl