Dr. Alfons Hölzl beim World Cup in Kairo 2024 | Foto: Privat
Einblicke

Dr. Alfons Hölzl

Ein Leben für den Turnsport

Alfons Hölzl ist an diesem Nachmittag unterwegs zu zwei Sitzungen in Leipzig. Die eine dient der Vorbereitung des Internationalen Deutschen Turnfestes 2025, bei der anderen liegt der Schwerpunkt auf den Turn-Europameisterschaften im Gerätturnen, die sich mit diesem im nächsten Jahr in der sächsischen Stadt überschneiden.

Den Morgen vor Ort wird der 56-Jährige keineswegs mit Ausschlafen und einem gemütlichen Frühstück verbringen. Der Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB) will stattdessen früh aufstehen, um Aufgaben für seine eigene Anwaltskanzlei in Regensburg zu erledigen. Er hat demnach mindestens einen halben Arbeitstag hinter sich, bevor es am späten Vormittag mit dem Ehrenamt losgeht.

Die Autofahrt nutzt er für Telefonate, im Zug würde Hölzl vor seinem Laptop sitzen.

Die verschiedenen Pflichten miteinander in Einklang zu bringen, erfordert ein hohes Maß an Disziplin. Doch als einer, der nicht nur über Turnerinnen und Turner spricht, sondern durch und durch selbst einer ist, stellt das für ihn kein Problem dar.

Engagement am Gerät und im Gremium

In das Engagement neben dem Gerät und in verschiedensten Gremien ist Hölzl reingerutscht, weil es ihm genau um diesen, seinen Lieblingssport immer ging. Beim niederbayerischen TV Pfeffenhausen hatte er im Grundschulalter damit angefangen, an Barren und Reck zu schwingen. Ein freiwilliger Wechsel aufs Internat, wo er sein Abitur ablegen wollte, um ursprünglich Pfarrer zu werden, führte ihn zum ASV Cham. "Dort gab es nur eine Mädchenriege", erzählt Hölzl.

Deshalb baute er nach einiger Zeit selbst eine Gruppe für Jungen auf. "Ich wollte das, was ich gelernt hatte, an andere weitergeben", sagt er.

Das hat mir Spaß gemacht.

Es gab Privilegien für ihn, er besaß einen eigenen Hallenschlüssel und konnte seine Leidenschaft weiter ausgiebig genießen.

Übungsleiter, A-Lizenz & Promotion

Dem Dasein als Übungsleiter ist er lange treu geblieben, erwarb später die A-Lizenzen sowohl für den männlichen wie den weiblichen Bereich und trainierte auch seine beiden Töchter.

Seine Funktionärslaufbahn begann Hölzl, der nach der Schule Jura in Regensburg studierte und 2002 zum Thema "Der Sport als Staatszielbestimmung" promovierte, im Turngau Oberpfalz Süd und stieg als bis dahin jüngster Vorsitzender des Turnbezirks Oberpfalz 2007 zum Präsidenten des Bayerischen Turnverbandes auf.

Dass der darnieder lag, störte ihn nicht. Hölzl packt an, wo er Bedarf sieht. Er zieht notwendige Maßnahmen durch und führt erstmals einen Mitgliedsbeitrag. In der Folge blühte nicht nur der BTV auf; als Vorsitzender von Teamsport Bayern entwickelte der Macher den organisierten Sport im eigenen Bundesland insgesamt weiter.

Ähnlich selbstbewusst trat Hölz beim DTB auf, als er mit dem Austritt seines Verbandes drohte, weil ihm der Umgang mit der Finanzkrise nicht gefiel. Nun steht er selbst seit 2016 an der Spitze des zweitgrößten nationalen Spitzenverbandes und führt dessen Geschicke.

Dr. Alfons Hölzl (Präsident des Deutschen Turner-Bundes), Morinari Watanabe (Präsident der Federation Internationale de Gymnastic, FIG). Foto: Picture Alliance

Vorteile als Mann aus der Praxis

Dass er etwas von der Materie versteht, ein Mann aus der Praxis ist, verschaffe ihm Vorteile, sagt Hölzl. Sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene genießt er Anerkennung, kann mitreden, auch wenn es um Spezifika geht. Das sei auch ein Grund dafür gewesen, warum er selbst beim Wahlkongress des Internationalen Turnverbandes FIG im Oktober für das Exekutivkomitee, das er knapp verpasste, und das Council, in das er mit 64,4 Prozent gewählt wurde, kandidiert hatte, statt dies, wie zu den Zeiten von Sportdirektor Wolfgang Willam, einem Hauptamtlichen zu überlassen.

Auf der Weltbühne nicht nur mit erfolgreichen Aktiven zu erscheinen, das hält Hölzl für wichtig, "um die Werte zu vertreten, für die wie hier in Deutschland stehen". Wenn man die Aufgaben nur anderen Nationen überlasse, bewege sich der Sport womöglich in Richtungen, die man selbst nicht gerne sehe. Mit der Beteiligung und der Präsenz könne man jedoch eigene Akzente setzen, Entscheidungen und Entwicklungen beeinflussen und mitgestalten, Signale setzen und Meinungsbilder verändern. Das sei angesichts der vielen unterschiedlichen Kulturen, die sich in der FIG tummeln und die nicht alle eine ähnliche Haltung wie der DTB vertreten, eine sehr wichtige Mission. Dass ihn das weitere Freizeit kostet, das nimmt Hölzl gerne in Kauf. Als Turnpräsident in Bayern hat er im vergangenen Jahr zudem nach 16 Jahren im Amt nicht mehr kandidiert.

Seine Motivation?

Auf seine Motivation hin angesprochen, gerät Hölzl ins Schwärmen: Welchen Menschen er bei seinen Reisen rund um die Welt begegne, welche interessanten Persönlichkeiten er kennenlerne und was er erlebe, das genieße er sehr. Gelegenheiten, die sich sonst nicht ergeben würden, die unbezahlbar seien bei einer Arbeit, die der Sache und nicht dem Geldverdienen gilt. Abgesehen von den Spesen gebe es kein Honorar für das Engagement. Nur das nicht Greifbare, was man sich selbst an Positivem aus den Begebenheiten zieht.

Hölzl ist es wichtig, Dinge abzuschließen.

Beim DTB beschäftigte ihn und das Präsidium in den vergangenen Jahren die Strukturreform in hohem Maße. Diese sei nun mit der Berufung von drei hauptamtlichen Vorständen abgeschlossen. Nun gelte es, den Verband für die Zukunft zu präparieren und in Zeiten von Inflation und Krise zu stabilisieren. Dafür wurde beim Turntag in Frankfurt im November eine stufenweise Beitragserhöhung beschlossen. 

Ein weiteres Ziel ist es laut Hölzl, den DTB "unabhängiger" aufzustellen, soll heißen, zusätzliche Einnahmen zu generieren, durch die man weniger abhängig von den öffentlichen Förderungen ist.

Das alles mit Gerichts- und privaten Terminen zu verbinden, mutet als große Herausforderung an. An der einen oder anderen Stelle hat Hölzl geschraubt, um sich die Belastung zu erleichtern. So konzentriert sich der Experte in seiner Kanzlei auf Erb- und Arbeitsrecht, weil sich dies besser mit seinen vielen Abwesenheiten in Einklang bringen lasse. Treffen mit seinen Töchtern ließen sich manchmal gut mit Verpflichtungen verbinden.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Hölzl hat sich Leipzig deutlich genähert, das Ende des Gesprächs ist gekommen. Die Begeisterung für das Ehrenamt, die immer wieder aus seiner Stimme klang, konnte noch mehr als seine Worte davon überzeugen, dass ihm dieses nach so vielen Jahren noch immer genauso viel Spaß wie ein Salto oder eine Riesenfelge macht.

AUSGABE        Ehrenamt 05-2024Einblicke | Ein Leben für den Turnsport
AUTORIN         Katja Sturm