Jens Fuge im Alfred-Kunze-Sportpark bei der BSG Chemie | Foto: Privat
Einblicke

Leipziger Fußball- und Motorradautor Jens Fuge

Außenspiegel

Mit Turnen hatte Jens Fuge bisher eigentlich nicht viel am Hut. Die Erfahrungen des Leipziger Journalisten und Buchautors sind da wie bei vielen durch dunkle Erfahrungen in der Schulzeit geprägt worden. Die Atmosphäre von damals kann er aber noch allzu gut vor sein geistiges Auge holen.

"Die Sprossenwände waren da noch fest verbaut und in der Ecke standen die von uns Schülern so gefürchteten Turngeräte ineinander gestapelt", erinnert er sich. Die habe der Sportlehrer, Herr Peiselt, dann immer höchst persönlich aufgebaut. Herr Peiselt hatte übrigens einen massiven, runden Bauch. "Also ein richtig typischer Sportlehrer", lacht Fuge.

Kaum einer kann so viele Geschichten über den Leipziger Sport erzählen wie Jens Fuge. Als gelernter Aufzugsmonteur stellte er bereits mit 19 Jahren als Anhänger der BSG Chemie Leipzig illegal eine Fanzeitung her. Sehr zum Missfallen der Staatssicherheit, die den Jugendlichen als "feindlich-negativ" und "westlich dekadent" einstufte. 1985 stellte er einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik, dem wenige Monate vor dem Mauerfall stattgegeben wurde. Fuge zog es ins badische Karlsruhe. Dort arbeitete er als Paketausfahrer, Monteur und Sportjournalist bei der Bildzeitung. 1992 kehrte er wieder nach Leipzig zurück, arbeitete bei der Leipziger Volkszeitung und gründete 1993 die Westend-Presseagentur.

Mit Ernesto Guevara, dem jüngsten Sohn des "Che" Guevara, in Kuba bei einer Buchvorstellung eines von Jens Fuge geschriebenen Buches "Cuban Harleys, mi amor".

Persönliches Fiasko? Das Klettern an der Stange

Für ihn selbst sei Gerätturnen eigentlich immer der blanke Horror gewesen, räumt er ein. Mit Anlauf habe man damals auf das Sprungbrett und dann über den Bock gemusst, die Füße zwischen den Armen. "Ich habe es nicht ein einziges Mal hinbekommen, weil ich immer Angst hatte, mit den Füßen an diesem Ding hängen zu bleiben und mit der Gusche nach unten im Hallenboden einzurasten", erinnert sich der Autor mit Grausen. Ein weiteres Fiasko sei das Klettern an der Stange gewesen.

"Vom Gewicht waren wir alle ungefähr gleich. Außer der Klaus, der schon aus Gewichtsgründen nicht hochkam. Ich war genauso schlank wie die meisten anderen. Aber irgendwie lag es wohl an der Technik. Manche sind da wie die Kletteräffchen hoch und haben oben angeschlagen, da hatte ich noch nicht mal die Hände gespuckt", erinnert er sich.
 

Alles in allem also keine guten Voraussetzungen, den Leichtathleten und Fußballfan Fuge zum Turnbegeisterten zu formen.

Neben seinen zumeist ehrenamtlichen Tätigkeiten als Aufsichtsrat, Vorstandsmitglied und Marketingchef beim Fußballclub FC Sachsen erregte Fuge vor allem mit Berichten über seine Motorrad-Reisen Aufsehen, die ihn und seine Harley-Davidson nach Syrien, Libanon, Jordanien, Russland, Norwegen, Kuba, USA und Kanada führten. Dort traf er unter anderem die Gründer der Hells Angels Johnny Angel und Sonny Barger in Arizona in deren Häusern und fuhr mit dem Sohn der Revolutions-Ikone Che Guevara durch Kuba.

Die Turn-und Sportfeste zu DDR-Zeiten

Turnerische Großveranstaltungen sind dem 61-Jährigen trotzdem alles andere als fremd. "Es gab ja die berühmten Turn- und Sportfeste zu DDR-Zeiten", erzählt er. Die seien vor allem eine große Propagandaschau gewesen. "Die Osttribüne mit ihren Massenbildern und am Ende immer ideologisch geprägten Zusammenwirken mit den Sozialismus verherrlichenden Losungen und Bildern war sicherlich sehr eindrucksvoll. Es hat dennoch immer einem klaren Zweck gedient. Einem ideologischen Zweck", betont er.

Fuge und seine Kumpels jedoch war dieser Zweck ziemlich "wumpe".

Für einige von ihnen boten die Turnfeste ganz andere Möglichkeiten. Viele waren als Jugendliche damals eher daran interessiert, hübsche Sportlerinnen zu treffen. Die kamen dort ja immer aus der ganzen DDR zusammen", sagt er mit einem breiten Grinsen. Die Darbietungen selbst hätten sie sich als "aufmüpfige Jugendliche" meistens sowieso nicht angesehen. "Unser Herz schlug eher beim Fußball. Aber wir haben natürlich geguckt, was für hübsche Mädchen die Innenstadt bevölkerten. Ganz Leipzig war bei so einem Turn- und Sportfest voll davon", erinnert er sich.

Und wie es damals so gewesen sei, wenn die Jugend zusammenkam, sei dann auch Alkohol getrunken, geredet und gefeiert worden. "Da gibt es manche Story. Aber das ist lange her", erzählt Fuge. Er selbst habe die Turnfest-Feierlichkeiten nur am Rande erlebt. "Das alles war alles irgendwie nicht meins", sagt er. Er habe das damals eher aus einer abweisenden Sicht wahrgenommen. "Wir waren doch für diesen Staat damals schon verloren, jedenfalls viele meiner Altersgenossen. Andere haben freilich ihre eigenen Erfahrungen gemacht und denken da heute noch gerne daran zurück. Das möchte ich ihnen auch gar nicht absprechen. Es ist eben auch immer die Frage der Perspektive, wie man etwas erlebt hat und zu den Dingen stand", sagt er.

Und trotz aller Erfahrungen, die er persönlich mit dem Turnen gesammelt hat: für die Stadt Leipzig sieht Fuge im Turnfest eine riesige Chance. Das habe sich bereits 2002 bei der ersten Station des Großevents in der Universitäts- und Messestadt angedeutet. "Wenn ich mich recht entsinne, gab es ja damals die Pleite des Bauunternehmens, das damit betraut war, das Stadion fertigzustellen. Zentralstadion, wie es damals noch hieß und heute auch von vielen Leipzigern noch genannt wird", erinnert er sich.

Leipzig: Improvisationsgeist und leidenschaftliche Gastfreundschaft

Die Bilder, wie dort die Sportlerinnen und Sportler und die Besucher teilweise auf nackten Steintraversen hockten, hätten sich natürlich eingebrannt. Im Vorfeld herrschte damals eine mittlere Katastrophenstimmung. "Jetzt haben wir dieses große Fest und nichts ist fertig. Aber ich glaube, Leipzig hat das dann mit seinem bekannten Improvisationsgeist und mit der unglaublichen Gastfreundschaft, der man sich ja hier nicht zu Unrecht sehr rühmt, einfach weggeatmet. Es hat diese Probleme zweitrangig werden lassen, so dass das Turnfest im Prinzip am Ende doch ein großer Erfolg geworden ist. Und zwar sowohl für die Stadt als auch für die Veranstaltung selbst", erklärt Fuge.

Er selbst sei zwar dennoch niemand geworden, der nun vor dem Fernseher hocke und Turnveranstaltungen konsumiere. Eines sei aber auch bei ihm hängen geblieben: "Wenn, dann schaue ich immer ganz fasziniert beim Rhönrad zu. Das ist für mich ja so unfassbar. Dieses Riesengerät und diese meist zierlichen Turnerinnen, die da mit diesem Gerät die unmöglichsten, unvorstellbarsten Figuren abspulen. Das wäre auch definitiv eine Veranstaltung, die ich mir in Leipzig unbedingt reinziehen würde", versichert er. Möglichkeiten für Vergnügungen abseits des Sports gibt es indes noch immer reichlich in Leipzig.

Den Artikel "Unglaublich offen und internationel" zur Rhönrad-Team WM während dem Turnfest findet ihr hier in dieser aktuellen Ausgabe der Sprossenwand.

Artikel Rhönrad Team-WM

Leipzig – die Stadt ohne Sperrstunde

Jens Fuge ist es heute wichtig, dass seine Stadt Leipzig sich wieder als guter Gastgeber präsentiert. Schließlich sei sie eine außergewöhnlich schöne Stadt. "Ich glaube, da brauchen wir überhaupt keine Bange haben. Das haben die Stadt und ihre Einwohner immer bewiesen, wenn es die Gelegenheit dazu gab. Zuletzt hatten wir die ja bei der Europameisterschaft im Fußball im letzten Sommer. Trotz des schlechten Wetters haben alle Gastgeberstätten durchgezogen und mit Improvisation und viel Herz auch den Regen und die Tiefdruckgebiete überwunden", erzählt Fuge. Dass die Sport- und Veranstaltungsstätten diesmal in einem guten Zustand sein werden, davon ist er überzeugt.

Doch kann Leipzig ein ganzes Turnfest und eine Turn-Europameisterschaft gleichzeitig stemmen? Für Fuge ist steht das ebenfalls außer Frage. "Also an Hotelbetten mangelt es mittlerweile nicht mehr, zumal ja viele Turnfestbesucher auch in Turnhallen und Schulen oder gar in einer der Privatinitiativen unterkommen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Leipzig da leichtfertig in die Bresche geworfen hat. Ohne zu prüfen, ob das auch genügend Übernachtungsmöglichkeiten gibt", betont er. Und um die passende Kneipe für ein Feierabendbier müsse sich in Leipzig ohnehin niemand Sorgen machen. "Zumal wir ja den riesengroßen Vorteil haben, dass wir keine Sperrstunde kennen", betont er und verweist die große Kultur der "Freisitze": "Im Bayerischen sagt man da Biergarten dazu", ergänzt er.

Im Bayerischen sagt man da Biergarten dazu

Und auch neben den Wettkämpfen wird es nach Fuges Überzeugung in Leipzig keinem Teilnehmer langweilig werden.

"Leipzig hat einen der modernsten, größten und schönsten und auch traditionsreichsten Zoos ganz Europas. Dem kann man immer einen Besuch abstatten. Leipzig hat nicht nur sein modernes Messegelände, sondern eine 850-jährige Messegeschichte. Davon zeugen zum Beispiel die vielen alten Messebauten in der Innenstadt, oder 'Specks Hof', das zum schönsten Handelshaus Europas gekürt wurde.

Und wir haben natürlich die Innenstadt, die in sich geschlossen ist, autofrei mit einer lebendigen Kneipenmeile", zählt er auf. 

Als "stolzem Leipziger" fielen ihm aber noch viele weitere Dinge ein, sagt Fuge. "Auerbachs Keller" zum Beispiel. Der gehört zu den zehn berühmtesten Restaurants auf Erden und feiert in diesem Jahr 500-jähriges Jubiläum. Goethe hat dort gesessen und die Geschichte von Faust ausgepackt. Und dennoch kann man sich noch leisten, dort etwas zu essen, erzählt er.

Ringsherum biete Leipzig zudem enorm viel Grün, viele Parks und alte Braunkohle-Tagebaue, die in Seen umgewandelt wurden und im Sommer dann wunderbare Möglichkeiten böten, zu baden und spazieren zu gehen. Für Freunde der Malerei gebe es die neue Leipziger Schule der Malerei um Neo Rauch ebenso wie eine ganz bunte Subkultur im Stadtteil Connewitz mit Nachtclubs, die zu den bekanntesten in Deutschland gehörten.

 GEHEIMTIPP

Schrebers Restaurant und Biergarten

Während die Nutzung der vielfältigen kulturellen Möglichkeiten in Leipzig wohl weitgehend Geschmackssache ist, für die Abendgestaltung lässt sich der Ur-Leipziger Fuge tatsächlich noch einen Geheimtipp entlocken.

"Einen würde ich verraten. Das ist Schrebers Restaurant und Biergarten, die älteste Kleingartenanlage in Deutschland.
Zu finden in der Aachener Straße 7", schmunzelt er.

Kaum irgendwo könne man Leipzig atmosphärischer genießen. Und auch das Preis-Leistungs-Verhältnis sei dort noch nicht in Schieflage geraten.

Oder aber die "Vodkaria", in der 900 verschiedene Wodkasorten angeboten werden und die er für die originellste Bar auf Erden hält.

Vielleicht kann der geneigte Turnfestteilnehmer oder -teilnehmerin ja dort auch den Autor selbst antreffen und bei der ein oder anderen Anekdote noch tiefer in diese wunderschöne Turnfeststadt eintauchen.

AUSGABE        Leipzig 01-2025 | Einblicke | Außenspiegel
AUTOR             Nils B. Bohl