Übungsstunde Kinderturnen bei der SG Enkheim | Foto: DICKITAL_
Die Familie

Tom Gebhardt und Charlotte Rößler aus Überzeugung bei der SG Enkheim

Helden zwischen Hörsaal und Halle

Tom Gebhardt und Charlotte Rößler sind zwei junge Studierende, die ihren Universitätsalltag zwischen Vorlesungen, Hausarbeiten und Prüfungen durch ein besonderes Engagement bereichern:

Sie sind ehrenamtliche Trainer und Trainerin beim Kinderturnen der SG Enkheim.

Für die beiden bedeutet das Ehrenamt weit mehr als nur ein Hobby. Es ist eine Herzensangelegenheit, die ihnen nicht nur unzählige Stunden Freude bereitet, sondern auch wertvolle Lebenserfahrungen mit sich bringt.

Jeden Mittwoch versammeln sich Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren in der Turnhalle der SG Enkheim, um unter der Anleitung von Gebhardt und Rößler spielerisch zu turnen, zu klettern und zu toben. Für die Kinder sind die beiden längst zu echten Vorbildern geworden. Mit ihrer herzlichen und motivierenden Art schaffen Gebhardt und Rößler eine Atmosphäre, in der sich die Kinder wohlfühlen und ihre Begeisterung für Bewegung frei entfalten können.

Die beiden Studierenden stehen für eine junge Generation im Ehrenamt. Gebhardt studiert Soziale Arbeit, Rößler Grundschullehramt. Gebhardt kommt ursprünglich aus der Leichtathletik und ist heute im Kinderturnen sowie Volleyball aktiv. Den Einstieg in die Vereinsarbeit fand er ausgerechnet kurz vor der Coronapandemie. "2019 hatte ich an der Uni etwas mehr Zeit und überlegte, was ich zusätzlich machen könnte", erzählt er. Da erinnerte er sich an die Vereinsmitglieder, mit denen er schon lange nichts mehr zu tun gehabt hatte.

Also fragte ich nach, ob es etwas gibt, wo ich aushelfen kann.

Eigentlich wollte er zurück zur Leichtathletik. "Aber dann sagten sie mir, dass dringend jemand im Kinderturnen gebraucht wird. Wenn ich mir das vorstellen könnte, sollte ich es mir doch mal anschauen", erinnert er sich. Ursprünglich war er nur temporär für 2019 vorgesehen. "Aber jetzt mache ich das bis heute. Nach einem halben Jahr habe ich sogar die Leitung übernommen, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Es hat einfach super funktioniert", sagt er.

Rößler folgte hingegen einem Hilferuf ihrer Schwester. "Das war ein fließender Übergang: Meine Schwester fragte, ob ich sie als Assistentin unterstützen könnte. Sie wusste, wie ich mit Kindern umgehe, und dass mir das Spaß macht. Von dort an ging es immer weiter. Zuerst war ich im Mädchenturnen tätig, dann kam die Frage, ob ich beim Kinderturnen mitmachen möchte", erzählt sie. Das Kinderturnen machte ihr sogar noch mehr Spaß als das Mädchenturnen. "Seitdem bin ich im Kinderturnen unterwegs", sagt sie. Bei Bedarf hilft sie auch gerne in anderen Bereichen aus.

Dass es für das Ehrenamt auch finanzielle Entschädigung geben kann, wusste Gebhardt anfangs gar nicht. "Ich dachte mir, ich mache das mal ein, zwei Stunden die Woche. Das ist kein großer Aufwand, einfach ein Hobby", erinnert er sich. Da er nebenbei noch bei den Johannitern arbeitete, war Geld nicht seine Motivation. "Ich fand die Leute im Verein toll und wollte etwas zurückgeben von dem, was mir als Kind gegeben wurde. Als es dann Geld dafür gab, war ich völlig überrascht", erzählt er.

Gebhardt hält den Sportbetrieb für Kinder für ungemein wichtig. "Das ist eine der wichtigsten Sachen, die wir haben", ist er überzeugt. Er trifft immer wieder auf Menschen, die in ihrer Kindheit keinen Sport gemacht haben. "Das merkt man sehr schnell an der Bewegung und am Verhalten. Das ist etwas, was jedes Kind erleben sollte", findet er.

Sein Ehrenamt permanent auszuweiten, kommt für Gebhardt nicht infrage. "Ich habe mein Pensum erreicht. Ich mache meine sieben Stunden die Woche, davon viereinhalb Stunden Volleyball und zweieinhalb Stunden Kinderturnen. Das reicht mir", sagt er. Schließlich arbeitet er zusätzlich 20 Stunden und hat sein Studium zu bewältigen. "Unser Abteilungsleiter ist aber immer offen für Gespräche. Wenn jemand Interesse hat, wird gefragt. Wer Nein sagt, ist raus, aber wer Ja sagt, muss es eben auch machen. Das finde ich gut so."

Rößler hingegen würde gerne etwas kürzertreten. "Ehrlich gesagt, ja. Ich sage auch mal ab, weil ich es zeitlich nicht schaffe oder mein Wissen nicht ausreicht." Dennoch sei der Trainermangel ein großes Problem. "Man muss oft auf die zurückgreifen, die schon da sind. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Ehrenamtliche gibt, damit ich nicht so viel machen muss", sagt sie. Interessenten gibt es immer wieder, doch oft fehlt die Motivation, weil eben oft auch die Bezahlung ausbleibt. "Viele junge Menschen erwarten in unserer Leistungsgesellschaft sofortige Vergütung. Das Leben ist teurer geworden, und mit dieser Perspektive ist das Ehrenamt für viele unattraktiv", bedauert sie.

Für beide ist ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine wertvolle Erfahrung, die sie persönlich wachsen lässt. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, Geduld zu haben und flexibel auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Neben der sportlichen Betreuung gehören auch organisatorische Aufgaben wie die Planung der Stunden und die Kommunikation mit den Eltern zu ihrem Aufgabenbereich.

"Man lernt zum Beispiel, ganze Feste zu organisieren und erhält einen Überblick, was wichtig ist und was nicht. Auch die Kommunikation mit anderen wird geschult", berichtet Gebhardt. "Je öfter man etwas plant und mit anderen kommuniziert, desto leichter wird es. Diese Erfahrungen kann man auch ins normale Leben übertragen", ist er überzeugt.

Auch Rößler sieht im Ehrenamt einen hohen Payback-Faktor. "Ich liebe die leuchtenden Kinderaugen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ein Kind einen Fortschritt macht und stolz auf sich ist. Das möchte ich nicht missen", sagt sie.

Wenn Kinder sich nicht trauen, sich kopfüber an eine Stange zu hängen, sieht Rößler darin ein Problem unserer Gesellschaft: "Die Kinder bewegen sich von Grund auf zu wenig. Gerade dann ist es wichtig, ihnen zu helfen, weil diese Bewegungserfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung ebenso wichtig sind wie das Kennenlernen des eigenen Körpers", betont sie.

Das Ehrenamt öffnet auch Türen, die man nicht erwartet.

Gebhardt konnte zum Beispiel durch seine Vereinskontakte eine Wohnung finden. "Der Leiter der Turnabteilung hatte das passende Angebot parat. Ohne den Verein hätte ich diese Wohnung nicht bekommen", sagt er. Solche Netzwerke sind hilfreich im Alltag, auch wenn es mal um kleine Rabatte im Supermarkt um die Ecke geht.

Wie lange sie ihr Ehrenamt noch ausüben können, wissen beide nicht. "Wenn ich irgendwann Vollzeit arbeite, wird es schwieriger, die Trainertätigkeit aufrechtzuerhalten", sagt Gebhardt. Er möchte jedoch weiterhin ehrenamtlich aktiv bleiben. Rößler sieht es ähnlich und hofft, dass sie ihre Tätigkeit trotz der neuen beruflichen Herausforderungen weiterführen kann.

Ihr Wunsch für die Ehrenamtsstruktur: "Ich würde mir wünschen, dass Fortbildungen und Workshops noch präsenter und leichter zugänglich sind", sagt Rößler. Beide sind sich einig, dass das Kinderturnen weit mehr als nur ein Sportprogramm ist: Es geht darum, den Kindern Freude an Bewegung zu vermitteln, ihre motorische Entwicklung zu fördern und ihnen in schwierigen Zeiten Halt und Gemeinschaftserlebnisse zu bieten.

AUSGABE         Ehrenamt 05-2024 | Die Familie | Helden zwischen Hörsaal und Halle
AUTOR              Nils B. Bohl